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Diese Dinge geschehen nicht einfach so

Diese Dinge geschehen nicht einfach so

Titel: Diese Dinge geschehen nicht einfach so Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Taiye Selasi
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fuhr dann nach oben. Kehinde und sie schlossen an der American International School mit niemandem Freundschaft, ihre Mitschüler fanden sie arrogant, weil sie arrogant aussahen. Also waren sie größtenteils aufeinander angewiesen, aßen, schliefen, machten Hausaufgaben, sahen fern, hörten Kassetten, gingen schwimmen, wurden mit dem Auto herumchauffiert.
    Wenn sie mit Fola redeten, immer am Wochenende (
ein
Telefonanruf wurde ihnen genehmigt, fünf Minuten für jeden), sagten sie, es gehe ihnen gut, damit sie sich keine Sorgen machte. Am Anfang waren sie ja auch nicht traurig. Sie waren nur allein. Sie wussten, dass irgendetwas im Haus nicht stimmte. Dauernd kamen und gingen Leute, zu allen möglichen Tages- und Nachtzeiten, sie sprachen Yoruba und Arabisch und Englisch und Pidgin-Englisch; an den Wochenenden konnte man von ihrem Zimmerfenster aus die Besucher beim Swimmingpool sehen. Die Mädchen stolzierten in Leopardenklamotten und dicken Pelzjacken herum, in Stilettos und mit Perücken, neben ihnen lungerten fette Männer und außerdem haufenweise junge Typen, alle schlank und gutaussehend, mit dunklen, hungrigen Augen – aber die Zwillinge stellten keine Fragen. Es schien sich nicht zu lohnen. Sie machten, was man ihnen sagte, und blieben für sich. Drei Monate ging das so, sechs Monate, neun. Plötzlich kam der Sommer, mit kühlerer, trockenerer Luft, dann das Ende des Schuljahrs, ein Programmwechsel, durch den jetzt in der Tagesmitte für sie eine Leere entstand.
    Wie sich alles änderte:
    an einem Vormittag. Tante Niké, ohne Vorwarnung. Erschien in der Küche, als sie gerade Platz nahmen, um zu frühstücken. Es war das erste Mal, dass sie ihre Tante morgens zu Gesicht bekamen, ohne Verkleidung, ohne Schminke und Perücke, einen Seidenschal um den Kopf gewickelt. Taiwo blickte von ihren Frühstücksflocken auf und verschluckte sich fast, weil der Anblick sie so erschreckte.
    Die Frau sah aus wie ein Gespenst. Mit ihrer komisch beige-grauen Haut und den kleinen leeren Augen, ein weißes Laken in der Hand. Ein Gespenst, das lachte. »Da staunt ihr, dass ihr mich hier seht,
ehn
? Ihr denkt, dass wir gar nicht hier wohnen? Ihr denkt, ihr könnt hier machen, was ihr wollt?« Sie lachte ganz leise, wie immer, wenn sie sauer war, und ihr Finger stach in die Luft wie eine Schlangenzunge. Diese Nummer hatten die Zwillinge schon öfter beobachtet, wenn Niké die Houseboys draußen ausschimpfte: die gemäßigte Einleitung (leises Lachen oder geflüsterter Spott), bei entscheidenden Punkten der stechende Finger, dann eine allmähliche Steigerung der Lautstärke, verbunden mit rhetorischen Fragen (»ihr denkt, wir wohnen nicht hier?«), die Verwendung der Formel »mein Freund«, schließlich der Höhepunkt, das Geschrei, die Beschwörung der Bibel, ein melodramatisches Finale, der Tonfall wie bei Shakespeare. Immer wirres Zeug von Ehre und Gerechtigkeit und solche Sachen, bevor Niké dann auf den entsprechenden Houseboy einschlug, eine brutale Aktion. Taiwo hatte den Eindruck, dass es Nigerianern Spaß machte, wütend zu werden, dass sie aus Konflikten ein gewisses Vergnügen zogen, eine körperliche Befriedigung. Sie beobachtete die Leute auf dem Markt, in der Schule – ihre Augen funkelten vor Vergnügen, während sie schrien und sich die Haare rauften. Es fiel schwer, so ein Verhalten ernst zu nehmen. Jetzt hörte sie, was Tante Niké sagte, aber nur mit einem halben Ohr, während sie sorgfältig ihre Weetabix in der Milch zerdrückte. Erst als sie anfing zu schreien »Das ist widerlich!«, blickte sie von ihrer Schüssel hoch.
    »Es ist widerlich, was ihr getan habt!« Mit einer dramatischen Geste schüttelte Niké das Laken aus, ein weißes Laken mit einem kleinen rötlichen Fleck. Verwirrt starrten Taiwo und Kehinde darauf. Niké zeterte weiter: »Ich weiß, was ihr getan habt! Die Houseboys haben mir gesagt, dass ihr in einem Zimmer schlaft, und jetzt können wir ja sehen, was ihr da drin anstellt,
ehn
?« Sie zeigte auf Kehinde, die Augen zusammengekniffen. »Sie ist deine
Schwester
. Deine Zwillingsschwester. Du bist ein Sünder, mein Freund.«
    Kehinde blinzelte schockiert. »I-ich – Entschuldigung?«
    Eine Frage, keine Entschuldigung, aber Niké tobte weiter. »Was du getan hast, ist eine Sünde,
ehn
? ›Entschuldigung‹ reicht da nicht! Du sagst mir jetzt, was los war. Und zwar sofort.«
    »Wir verstehen nicht, was du meinst, Auntie«, erwiderte Taiwo ganz ruhig. Ihr dämmerte allmählich, was mit

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