Diese Dinge geschehen nicht einfach so
noch von ihm gehört hat. Sie weiß es. Dass sie es wissen würde.) Als Letzte Sadie – flatternd, Schmetterlinge, etwas Neues, diese Ruhelosigkeit, die Suche nach etwas, was sie nicht findet.
Alles gut.
Traurigkeit, Spannung, Abwesenheit, Angst – aber
okay alles gut
, so wie sie die vier auf die Welt gebracht hat, lebendig, wenn auch nicht unbedingt in bester Verfassung, Fische im Wasser, in dem Zustand, in dem sie sie geboren hat (atmend und kämpfend), und das genügt. Vielleicht nicht für andere, denkt Fola, für Mütter, die beten, dass ihre Nachkömmlinge ein großes Vermögen machen und berühmt werden, ewige Liebe und ewiges Glück finden (bessere Mütter höchstwahrscheinlich, klein, strahlend lächelnd, ehrgeizig, Minivan-Mütter), aber es reicht für sie, die zuschlagen, töten und sterben würde für jedes ihrer Kinder, die aber auch weiß, dass die Bereitschaft zu sterben ihre Grenzen hat.
Dass der Tod indifferent ist.
Nicht
sie
ist indifferent (auch wenn sie so wirkt), sondern ihr uralter Gegner, ihr Feind, der gemeinsame Feind aller Mütter – wenn dem Kind etwas passiert, der Tod –, er ist es, der sie besiegen wird, das weiß sie.
Aber nicht heute.
Die Angst lässt nach. Der Lärm bleibt. Das Schniefen und Rauschen der kaputten Klimaanlage. Die Hitze wird aggressiv, als fühlte sie sich vernachlässigt. Bettlaken und Nachthemd werden auf einmal kalt.
Fola steht auf, stößt sich dabei das Knie, verflucht leise das Haus, die nicht funktionierende Klimaanlage. Der Wachmann, Mr Ghartey, hätte sie längst reparieren müssen, oder er hätte seinen Cousin, den Elektriker, rufen sollen, damit der sie repariert, oder er hätte den weißen Mann rufen sollen, der sie eingebaut hat, damit dieser sie repariert – seine Planung bleibt weitgehend unklar. »Er kommt gleich«, lautet die Antwort jedes Mal, wenn sie ihn fragt. »Ich sag’s ihm – er kommt.« Schon seit Wochen: heiße Luft. Aber das Verhältnis ist noch neu, zwischen ihr und ihrem Personal, und sie weiß, dass sie langsam machen muss, sich vorsichtig annähern. Sie ist eine Frau, erstens, unverheiratet, noch schlimmer, Nigerianerin, das Allerschlimmste, und helle Haut. Sehr verdächtig in Ghana – sie könnte fast genauso gut eine gesuchte Terroristin sein. Das Personal hat sie zusammen mit dem Haus geerbt und zusammen mit den Holzmöbeln aus den siebziger Jahren, die mit orangerotem Wollstoff gepolstert sind. Die Bediensteten schleichen auf Zehenspitzen um Fola herum und kaschieren nur sehr mangelhaft ihren Schock. Dass sie allein hierher gezogen ist. Um
Blumen
zu verkaufen.
Und noch schlimmer: dass sie an diesem Morgen vom Flughafen hier angekommen ist, in einem weißen Leinenkleid und mit Sandalen, und dass sie, als sie aus dem Taxi stieg,
»How are you?«
sagte, unbegreiflich, mit britischem »a« und amerikanischem »r«. Und die Krönung: dass nach ihr kein Mann aus dem Taxi stieg.
Dass sie ihnen die Hand gab und ihren Blick suchte.
Dass sie ihre Koffer (drei? nicht mehr? war das schon alles? ein ganzes Leben in Amerika?) neben dem Taxi stehen ließ und direkt zu der Mauer ging, um ihr Gesicht in die Kletterpflanzen zu stecken und zu rufen: »Bougainvillea!« Erst recht unbegreiflich.
Dass sie morgens alle mit dem gleichen seltsamen
»How are you?«
begrüßt und sich so komisch bei ihnen dafür bedankt, dass sie ihre Arbeit machen. »Vielen
Dank
«, sagt sie zum Houseboy, wenn er ihre Kleider wäscht. »Vielen
Dank
«, zum Koch, wenn er ihr das Essen serviert. »Vielen
Dank
«, zum Pförtner, wenn er das Tor für sie öffnet, und dann noch einmal, wenn er es wieder schließt.
Dass sie raucht.
Dass sie Shorts trägt.
Dass sie in diesen Shorts und mit einem Sonnenhut im Garten herumwandert, in der einen Hand eine Zigarette, in der anderen die Heckenschere, dass sie hier etwas abschneidet und da etwas abschneidet und ihre Beute anschließend in die Küche schleppt, wo sie dann an der Theke steht und nicht etwa Süßkartoffeln stampft oder Bohnen puhlt, sondern
Blumen
arrangiert. Es amüsiert Fola schon immer, dass die Afrikaner überhaupt nichts für Blumen übrighaben, das typische Desinteresse von Menschen, die etwas im Überfluss besitzen (oder von Menschen, die psychisch geschädigt sind – die chronischen Selbsthasser, die, auch wenn es genügend Beweise gibt, es einfach nicht akzeptieren wollen, dass etwas, das zu ihrer Heimat gehört und dort im Überfluss, im Übermaß vorhanden ist, ohne große
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