Diese Lippen muss man küssen
Ganze schon sechzehn Jahre her war, überlief es Abby immer noch eiskalt, wenn sie an die Situation damals dachte.
„Du meinst, als dein Dad dich und deine Mutter verließ?“, fragte Brad sanft.
Sie nickte. „Es war schrecklich. Alle hörten auf zu reden, wenn ich einen Raum betrat. Oder sie warfen mir verstohlene Blicke zu und flüsterten miteinander.“
„Ja, das war sicher furchtbar.“ Mitfühlend drückte er ihr leicht die Hand. „In solchen Fällen tut man am besten so, als sei gar nichts.“ Ein paar Sekunden schaute er nachdenklich vor sich auf den Tisch. Dann hob er den Kopf. „Weißt du was? Wir sollten zusammen zu dem Weihnachtsball gehen.“
Kurz starrte Abby ihn an, dann lachte sie laut los. „Bist du verrückt geworden?“
„Vielleicht. Andererseits machen wir damit ein für alle Mal klar, dass wir nichts zu verbergen haben. Und dass wir entschlossen sind, zusammenzuarbeiten, egal, wer die Wahl gewinnt.“ Lächelnd fügte er hinzu: „Was auch immer wir tun, die Leute werden reden, Darlin’, so oder so. Wenn wir uns aber so benehmen, als sei es nichts Besonderes, dann wird man sehr schnell das Interesse an uns verlieren.“
„Das meinst du wirklich ernst …“ Sie konnte es nicht fassen.
„Allerdings.“ Er zog die Hand zurück und griff nach der Speisekarte. „Ich nehme das Chili. Was willst du?“
„Ich weiß nicht … vielleicht den Chefsalat.“ Nur mit Mühe konnte sie sich auf die Karte konzentrieren. Immer noch ging ihr sein verrückter Plan im Kopf herum, gemeinsam den Weihnachtsball zu besuchen. Je länger sie darüber nachdachte, desto vernünftiger erschien er ihr jedoch. Denn wenn sie gemeinsam dort auftauchten, musste allen Anwesenden klar sein, dass sie entschlossen waren, eine Lehre aus der Vergangenheit zu ziehen. Dass sie, wer auch immer die Wahl gewann, die Kluft überbrücken wollten, die in der letzten Zeit die Einheit des Clubs bedroht hatte. Dass sie zusammenarbeiten würden, um die Ziele zu erreichen, für die der Club stand.
Das ist alles schön und gut, dachte Abby. Aber warum machte sie die Vorstellung, mit Brad zu dem Ball zu gehen, so nervös? „Was den Ball betrifft“, fing sie langsam an, „so würde ich vorschlagen, dass wir uns dort treffen, vielleicht auch an einem Tisch sitzen. Damit würden wir demonstrieren, dass wir unsere alte Feindschaft begraben.“
„Kommt nicht infrage.“ Brad schüttelte den Kopf. „Ich hole dich ab, und wir fahren gemeinsam hin.“
„Ich glaube nicht, dass das …“
„Doch“, fiel er ihr ins Wort. „Wenn wir nur zusammen an einem Tisch sitzen, dann sagt das gar nichts aus. Wahrscheinlich setzt man uns als die Präsidentschaftskandidaten sowieso an einen Tisch. Also, wann soll ich dich abholen?“
Wieder musste sie ihm recht geben. Üblicherweise setzte man in so einem Fall alle Kandidaten, die sich um ein Amt im Vorstand beworben hatten, an einen großen Tisch. Und dennoch … es musste doch eine Möglichkeit geben, Brad davon abzuhalten, sie abzuholen. „Das kann ich dir noch nicht sagen“, wich sie aus. Der Ball war erst in gut einer Woche. Bis dahin würde ihr hoffentlich noch eine plausible Ausrede einfallen, warum sie nicht zusammen fahren konnten.
Die Kellnerin brachte das Essen. „Danke.“ Brad nickte ihr zu und wandte sich dann an Abby. „Vielleicht sollten wir uns ein bisschen beeilen. Ich habe Sadie versprochen, dass das Ganze nicht zu lange dauern wird. Sie ist wahrscheinlich sowieso mit den Nerven am Ende, wenn wir nach Hause kommen. Drei Kinder unter drei Jahren, das ist eine harte Aufgabe.“ Er lachte.
Nicht für mich, dachte Abby. Wie gern würde sie für kleine Kinder sorgen. „Wie wäre es, wenn du mal bei ihr babysittest?“, schlug sie lächelnd vor. „Sadie und ihr Mann würden sich bestimmt über einen freien Abend freuen.“
Entsetzt hob Brad die Hände. „Um Himmels willen, das würde nicht gut gehen. Manchmal bin ich schon bei Sunnie nicht sicher, was ich tun soll. Zwei weitere Kleinkinder – das wäre ein Albtraum! Ohne Hilfe könnte ich das nie schaffen.“
„Vielleicht lässt sich Juanita überreden, mal einzuspringen, wenn sie aus Dallas zurück ist.“
Brad schüttelte den Kopf. „Erstens lässt sich Juanita nicht zu etwas überreden, das sie nicht freiwillig tun will. Zweitens müsste ich sie selbst dann gut dafür bezahlen. Und drittens glaube ich, dass sie nicht für alles Geld der Welt auf drei Kleinkinder gleichzeitig aufpassen würde.“ Er trank einen
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