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schwülen Tag im Juli 2011 hole ich ihn bei seinem Jugendtreff ab und treffe auf einen gut gelaunten 35-Jährigen mit stattlichem Bauch und kurz rasierten blonden Stoppeln. Einen Nachmittag lang erlebe ich, wie beliebt Till ist. Als wir durch die Altstadtstraßen gehen, grüßen ihn drei Generationen von Leuten: Die Kleinen fragen nach dem Fußballspiel, die jungen Erwachsenen nach dem Stammtisch, und die Alten erkundigen sich nach den Apotheker-Eltern. Till ist so was wie der heimliche Bürgermeister im Ort. Nur in der Liebe klappt es nicht. »Das Problem ist: Ich lauf nicht mehr ohne Ende auf Partys. Ich will nicht jedes bisschen Freizeit damit verbringen, die restlichen Single-Mädels der Gegend aufzuspüren.«
Dabei würde er »das jetzt schon gern wollen: heiraten, Kinder produzieren.« Das ist die Till-Art zu sprechen. »Ich weiß jetzt, welchen Typ von Mensch ich mögen würde.«
Till ist durchaus anspruchsvoll, was seine künftige Partnerin angeht. Er, der studierte Politikwissenschaftler, der schon in Brüssel, Berlin und Peking gearbeitet hat, ist charmant, gebildet, weltoffen und passt somit nicht ganz ins Beuteschema der typischen Dreißigjährigen in seiner Gegend, die, wie er sagt, entweder verheiratet ist oder schon wieder geschieden; und die vom Leben vor allem ein hellgelbes Häuschen mit Edelstahlbriefkasten erwartet.
Man schaffe sich »Substitute«, sagt Till: »Meine sind, mich um die Leute hier im Ort zu kümmern, nach alten Schränken zu forschen, auf Konzerte zu gehen. Dinge, die auch erfüllend sind.«
Von allen, die ich für mein Buch interviewt und nach ihrer Meinung befragt habe, ob die Liebe für sie etwas Planbares oder etwas Schicksalhaftes ist, fand ich Tills Philosophie am erfrischendsten: Zwar steht er Partnerbörsen skeptisch gegenüber und hat keine Lust, Geld dafür auszugeben, dass ihm ein Computeralgorithmus Kandidatinnen ausspuckt, die es dann abzuarbeiten gilt. Aber als ihm ein Freund den Link zur Partnerbörse Zoosk schickte, war er zumindest neugierig: »Anmelden kann ich mich ja mal«, dachte er. Nur ist es bei Zoosk wie bei vielen Börsen nicht möglich, mit anderen Mitgliedern in Kontakt zu treten, ohne dafür zu bezahlen. Till hat das dann auf seine Art gelöst: Er suchte mit der Postleitzahlensuche nach Frauen in seinem Umkreis, und siehe da: Er fand zwei Single-Frauen aus dem Nachbardorf – eine gefiel ihm besonders, eine Lehrerin. »Ich bin dann ein paar Mal rübergefahren und habe mich da umgesehen. Ich bin auch ausgegangen, um zu schauen, ob ich sie zufällig treffe. Es kamen ja nur zwei Lokale in Frage.« Gefunden hat er sie nicht.
Die Vorstellung, dass Till in seinem weißen VW -Bus, mit dem er sonst die Gerätschaften für seinen Jugendtreff transportiert, die Hauptstraße des Nachbardorfes abfährt, um die Frau seines Lebens zu finden, bringt mich bis heute zum Schmunzeln. Eine unkonventionelle Art, Online-Dating zu betreiben. Irgendwo da draußen – da muss sie sein: die Haltung eines hoffnungslosen Romantikers, der Sätze sagt wie: »Ich wüsste schon, wie ich den schönsten Nachmittag des Jahres verbringen kann: Decke raus, picknicken, Lieder singen, vögeln.« Till-Sätze.
Der 35-Jährige ist das beste Beispiel für das, was Sasha Cagen in ihrem Bestseller »Quirkyalone« 2004 beschrieben hat: Singles, so die US -Autorin, sind letztlich die wahren Romantiker. Cagens Meinung nach warten sie eben lieber auf den Traumpartner, als sich mit faden Kompromissbeziehungen die Chance auf den Hauptgewinn zu nehmen. Und wenn sie dabei ein bisschen kauzig ( quirky ) werden, dann nur aus innerem Reichtum.
Vor Jahren, als Till für politische Projektarbeit noch in ganz Europa unterwegs war, hat er bei einer Konferenz eine Schweizerin kennengelernt (»Die Augen, die Intelligenz … Sie kam zur Tür rein, und es war um mich geschehen«). Über Facebook ist er bis heute mit ihr in Kontakt. »Wenn die im Nachbarort leben würde, würde ich mir ein Bein ausreißen, um bei der zu landen.« Aber ihr in die Schweiz zu folgen, kam nicht in Frage. Tills Wurzeln sind stärker als seine Flügel. »Vielleicht sehen wir uns wieder, wenn wir siebzig sind, und verbringen den schönsten Herbst der Welt«, sagt er und wirkt nicht traurig dabei.
»Schmachten ist romantischer als lieben – in diesem Punkt reichen sich die Frühromantik mit ihrem unerfüllten Sehnen in der Literatur und die Spätromantik mit ihren US -amerikanischen Fernsehserien die Hand«, schreibt Richard David
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