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der Tatsache, dass ihr Leben so drastisch von der Normalbiografie abweicht.
Drei der vier Langzeitsingles, mit denen ich für das Buch gesprochen habe, sagten, dass sie ihr Single-Sein als Makel empfinden: »wie bei einem Langzeitarbeitslosen«. Auch die Formulierung »schwer vermittelbar« hörte ich oft. Ein Single sagte: »Je länger man keine Beziehung mehr hatte, desto mehr zögern die Leute, sich auf dich einzulassen. Die denken, da muss was faul sein an der Person.« Sortiert sie ihre Unterhosen nach Wochentagen? Knurrt sie beim Sex? Oder hat sie einfach den schwierigsten Charakter der Welt?
»Es gibt nichts, was die Leute schrecklicher finden als Single-Frauen mit Mitte dreißig«, sagt Barbara. Kein Parfüm oder Aftershave der Welt übertüncht den Geruch der Verzweiflung. Das konnte auch die amerikanische Psychologin Sarah Kiesler zeigen. Sie ließ Männer einen Test machen, der angeblich ihre intellektuellen Fähigkeiten messen sollte. Einer zufällig ausgewählten Gruppe der Männer sagte sie dann, sie hätten besonders gut abgeschnitten – und den anderen, dass sie besonders schlecht gewesen wären. Als sich schließlich – immer noch im Rahmen des Experiments – eine nette Frau in der Cafeteria zu ihnen setzte, versuchten die (vermeintlich) Erfolgreichen gleich, die Frau kennenzulernen; die Frustrierten blieben einsilbig, und letztlich allein.
Man darf sich seine Frustration nicht anmerken lassen, auch Barbara weiß das. »Man muss lächeln. Alle Enttäuschungen beiseiteschieben. Nichts persönlich nehmen, immer locker bleiben.« Doch wie soll man sich entspannt geben, wenn man es nicht ist? Wenn wie bei Barbara der Wunsch nach Zärtlichkeit und Zweisamkeit das Leben bestimmt? Wie zur Hölle soll man aktiv suchen und dabei passiv wirken?
Barbara hat ihre Leichtigkeit und Unverkrampftheit längst verloren. Sie kam ihr abhanden irgendwo zwischen den Hochzeiten, die sie ohne Begleitung über sich ergehen ließ, den Horrorgeschichten von Freundinnen, die bereits mit Ende dreißig in die Wechseljahre gekommen sind, und zwischen all den mit Sehnsucht tapezierten Orten des Nachtlebens, die sie schon nach der Liebe ihres Lebens abgesucht hat. »Ich glaube, die Single-Jahre haben mich verändert. Ich bin irgendwie härter geworden, zu mir, aber auch zu Männern. Schon aus Selbstschutz.« Ein Herz mit Hornhaut – das hat Barbara davongetragen.
Man kann ihr die Last, die angesichts ihres komplett verheirateten Freundeskreises auf den Schultern drückt, regelrecht ansehen. »Es ist schon absurd«, sagt Barbara, »meine Eltern haben mich als eigenständige, selbstbewusste Frau erzogen, die sich nicht von einem Mann abhängig zu machen braucht, und jetzt mit 37 bin ich an einem Punkt, an dem eine Beziehung das denkbar größte Glück für mich darstellt.« Der Mann als Erlöser. »Wie krank ist das?«
Die Frage, die nicht nur sie sich stellt: Wie glücklich kann man alleine werden? Wird man absolutes Glück nur erfahren, wenn man jemanden findet, mit dem man zu zweit durchs Leben geht?
Die Wissenschaft hat diesbezüglich deprimierend eindeutige Ergebnisse: Die Zufriedenheit verheirateter Menschen ist fast über alle Altersstufen hinweg höher als die derjenigen, die nicht oder später heiraten. Das hat der Schweizer Ökonom und »Glücksforscher« Bruno S. Frey in einer Langzeitstudie herausgefunden. Mit zunehmendem Alter nähert sich das Glücksempfinden der Singles wieder den Verheirateten an, vor allem ab fünfzig geht es mit den Singles in Sachen Lebenszufriedenheit wieder bergauf. Bruno Freys Ergebnisse werden Barbara kaum trösten.
Je mehr sich traditionelle Bindungen aufgelöst haben, desto größer sind die Heilsversprechen von Liebesbeziehungen geworden. »Die Größe des Du ist die umgedrehte Leere, die sonst herrscht«, schreiben Ulrich Beck und Elisabeth Beck-Gernsheim in »Das ganz normale Chaos der Liebe«, »das heißt auch: weniger das materielle Fundament und die Liebe, sondern die Angst vor dem Alleinsein hält Ehe und Familie zusammen. Was jenseits von ihr droht oder befürchtet wird, ist bei allen Krisen und Konflikten vielleicht das stabilste Fundament der Ehe: Einsamkeit.«
Vierzig Prozent der heute Dreißigjährigen haben Angst, alleine zu leben, hat der Soziologe Martin Doehlemann von der Universität Münster herausgefunden. Genau dieses Unsicherheitsgefühl machen sich kommerzielle Anbieter zunutze und versprechen Abhilfe. Mit ihrer Machbarkeitsrhetorik hat die millionenschwere
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