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William, Angela Merkel, Lady Gaga. Dieser psychologischen Überforderung versuchen viele Herr zu werden, indem sie schematisieren. »Wir können nicht jedem Einzelnen in seiner biografischen Ich-Werdung folgen und daher in einem Urteil gar nicht gerecht werden«, sagt Schroer.
Vor allem das Fachwissen über Paarbeziehungen ist so groß wie nie. Bindungsangst, Nähe-Distanz-Problem, Distanzbedürfnis – Begriffe, die bis vor wenigen Jahrzehnten nur Psychologen und Therapeuten benutzt haben, sind in den allgemeinen Sprachgebrauch übergegangen. Der therapeutische Diskurs hat unser Vokabular durchdrungen, aus dem Gesprächslärm jeder beliebigen Großstadtkneipe sind Sätze zu hören wie: »Er kann einfach keine Gefühle zulassen.« »Ich muss mal das Muster meiner Partnerwahl durchbrechen.« Und immer wieder der Klassiker: »Ich bin ja eher der Typ so und so.«
Die Liebesklugen von heute meinen die Gesetzmäßigkeiten romantischer Beziehungen komplett verstanden zu haben. Oder wie Eva Illouz es in einem Interview mit der taz formuliert hat: »Wir lieben, aber wir reflektieren gleichzeitig unsere Erfahrungen und denken all die psychologischen Diskurse über die Liebe mit: Ich liebe diese Person, weil sie mich an meinen Vater erinnert. Oder weil ich Opfer der Romantikindustrie bin und daher auf den großen Prinzen warte.«
Vor allem das Internet, genauer: das Web 2.0 hat den Vormarsch der Küchenpsychologen begünstigt. Besonders die Digital Natives, also jene Generation der heute Dreißigjährigen, die mit dem Internet erwachsen wurden, sind extrem versiert darin, Menschen online aufzuspüren, zu typisieren und abzuchecken. »Wir sind im Alltag ständig mit jeder Art von Recherche vertraut. Da kommt man leicht auf die Idee, diese Praxis auch bei der Partnersuche anzuwenden«, sagte die Salzburger Soziologieprofessorin Kornelia Hahn vor Kurzem in NEON .
»Recherchierst du potentiellen Partnern auch im Netz hinterher?«, frage ich Friederike. »Na klar, oft habe ich noch die Jacke an und fahre schon den Rechner hoch, um den Namen eines Mannes zu googeln, den ich gerade auf einer Party kennengelernt habe.« Sie sei einfach zu neugierig, und überhaupt müsse sie ja abklären, ob sich der Aufwand lohne. Auch das höchst rational – schon vor einem Rendezvous herausfinden zu wollen, ob der Mensch, der einem bald gegenübersitzen wird, die ersten oberflächlichen Anforderungen erfüllt.
Friederike ist keine Ausnahme: Jeder Dritte zwischen 20 und 35 informiert sich online über neue Bekanntschaften, hat eine Umfrage von TNS -Infratest ergeben. Ganz selbstverständlich wird nicht nur mit Vor- und Nachnamen gesucht, sondern mit Zusätzen wie »Universität Bayreuth« oder dem Geburtsort, um die Ergebnisse einzugrenzen. Besonders Investigative durchforsten die Facebook-Alben der Freunde der jeweiligen Person, in der Hoffnung, ein Party- oder Oben-ohne-Urlaubsfoto zu finden. Oder sie geben, sofern bekannt, die E-Mail-Adresse bei Google ein und stoßen so womöglich auf Foreneinträge oder andere Webseiten, bei denen der Betreffende nicht seinen ganzen Namen, wohl aber seine E-Mail-Adresse hinterlassen hat. Die Digital Natives haben mit ihrer Internetkompetenz ein neues Phänomen hervorgebracht: Modern Stalking – es gibt kein Entkommen.
Statt nach der Telefonnummer zu fragen, was immer noch als ein eindeutiges Signal dafür gilt, »interessiert zu sein«, erkundigen sich die Freizeitfahnder lieber nach dem Nachnamen des anderen. Das ist weniger verbindlich und gleichzeitig aussichtsreicher, weil sich mit dem Facebook-Profil der erste Eindruck unauffälliger überprüfen lässt als mit einem Anruf. Die Möglichkeit zur Kontaktaufnahme hat man in den sozialen Netzwerken ja trotzdem. Achtzig Prozent der Erwachsenen zwischen 20 und 35 haben kein Problem damit, dass Informationen über sie im Netz stehen. Wen wundert es da, wenn sich »Interessenten« vor dem ersten Treffen ein Bild machen?
Seien wir ehrlich: Eine Verabredung ist eine Art Greatest-Hits-Album zweier Persönlichkeiten, eine perfekte Verkaufsshow, bei der der nette Typ von der Party bestimmt nicht erwähnen würde, dass er regelmäßig Motz-Rezensionen in Hotelforen postet: Online ist die Chance, dass man auf die Dinge stößt, die der andere lieber unerwähnt lässt, viel größer. Gleichzeitig geht es bei der Rasterfahndung im Netz darum, Puzzleteile aufzustöbern, die die Persönlichkeit des anderen stimmig werden lassen. Man hofft, Dinge herauszubekommen,
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