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gestrichenen Räumen (»bei weißen Wänden kann man die Mimik von blonden Menschen nicht so gut erkennen«).
Gonzagas Arbeitsauftrag bestand zunächst darin, Warrens Kompatibilitätsforschung fortzuführen und der Frage nachzugehen, worin das Geheimnis einer langen Paarbeziehung besteht. »Es gibt drei Faktoren«, erklärt Gonzaga mit heiligem Ernst, »du musst von der Person angezogen sein, es muss funken, und du musst dauerhaft gut mit ihr auskommen, sprich kompatibel mit der Person sein.«
Gonzaga kann seinen Text auswendig, er zitiert zig Studien und Statistiken aus dem Stegreif. Er wirkt freundlich, distanziert und ein wenig gelangweilt. Dass das Produkt seiner Arbeit die Liebe ist, jene Regung – meinetwegen ein Zusammenspiel von Hormonen –, wegen der sich Menschen verrückt, unglücklich und zum Affen machen (wie war das noch bei Goethe? »Himmelhoch jauchzend, zu Tode betrübt – glücklich allein ist die Seele, die liebt«). Dass es um nichts weniger als das größte Gefühl der Welt geht, davon spürt man bei eHarmony nichts. Dr. Gian Gonzaga, »Head-Scientist« eines Unternehmens, das behauptet, für 271 Hochzeiten pro Tag verantwortlich zu sein, redet über die Liebe wie über einen fettreduzierten Joghurt.
Und so ist es auch nicht gerade überraschend, dass er auf die Frage nach seiner bisher spannendsten Studie keine von eHarmony zitiert, sondern eine, die er an der University of California in Los Angeles durchgeführt hat. Dort forschte Gonzaga unter anderem zu der Frage, wie man in einer monogamen Zweierbeziehung dauerhaft mit attraktiv wirkenden Alternativen umgeht. Man könnte auch sagen: Gonzaga war am größten Rätsel der Menschheit dran.
Im Rahmen dieser Studie hatten er und sein Team Testpersonen, die im Schnitt seit achtzehn Monaten liiert waren, Fotos gezeigt und entscheiden lassen, welche Personen sie attraktiv fanden und aus welchen Gründen. Danach sollten die Testpersonen eine Situation beschreiben, in der sie entweder große Liebe oder großes Begehren ihrem aktuellen Partner gegenüber empfunden haben. »Das Ergebnis war sehr cool«, erzählt Gonzaga, und für einen Moment erkennt man hinter der Fassade glatter Professionalität, die er sich bei eHarmony antrainiert hat, eine Spur echter Faszination: »Jene Leute, die eine Situation tiefer Liebe beschrieben haben, konnten den Gedanken an eine attraktive Alternative eher unterdrücken als die, die eine Situation großer Leidenschaft beschrieben haben. Doch damit nicht genug: Erstere haben auch vergessen, wie die attraktive Alternative genau aussah. Sie konnten sich noch an Details wie einen roten Pullover erinnern, aber sie konnten nicht sagen, ob diese Person eine gute Figur hatte oder ein attraktives Gesicht. Sie hatten alle Merkmale, die ihre Beziehung bedroht haben, vergessen.«
Seine Frau Heather, ebenfalls Psychologin, hat Gonzaga in dieser Zeit an der Universität kennengelernt. Sie arbeitet inzwischen auch für eHarmony. Eine Frage, die ich mir im Lauf meiner Recherche immer wieder gestellt habe: Wie ist es, wenn man sich beruflich tagein und tagaus mit der Liebe beschäftigt? Wenn man quantitative Umfragen auswertet, Wahrscheinlichkeiten erstellt, wenn man all dieses Wissen anhäuft, warum Menschen sich trennen und was glückliche Paare eint: Ist man dann klüger in der Liebe? Gibt es an diesem größten Mythos der Menschheit noch etwas, was die Liebesforscher selbst nicht verstehen?
»Verstehen oder Nicht-Verstehen ist nicht die Frage«, sagt Gonzaga und lächelt sein Philipp-Rösler-Lächeln. »Seine Partnerwahl nachzuvollziehen und viel über Beziehungen zu wissen, macht die Erfahrung der Liebe nicht weniger wertvoll. Immer wieder heißt es, ich würde die Liebe entmystifizieren. Das ist Quatsch. Wer stets die richtigen Entscheidungen trifft, braucht uns vielleicht nicht, aber wer immer wieder in Beziehungen scheitert und zum Beispiel Partner wählt, die ihn schlecht behandeln, sollte sich mal damit beschäftigen, warum.«
Die Beflissenheit, mit der Gonzaga über seine Arbeit spricht, lässt mich nicht unbeeindruckt. Aber sind die »eHarmony Labs« wirklich mehr als Marktforschung, mehr als Forschung am Kunden? Wenn die Studien des Unternehmens so aufwändig und methodisch sauber sind, warum veröffentlicht eHarmony sie dann nicht in Fachblättern oder stellt sie auf Tagungen vor, so dass andere Wissenschaftler sie überprüfen können?
Aus Wettbewerbsgründen will sich kein Unternehmen der Branche in die Karten
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