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und Kirche schwindet, vertrauen auch wir Laien mehr denn je »aufwändigen Studien« von »renommierten Forschern« der Universität Harvard, Yale, zur Not auch Greifswald.
Was Wissenschaftler alles so herausgefunden haben: Welche Hormone bei Verliebten im Körper kreisen (Adrenalin, Dopamin). Ob Ost- oder Westdeutsche stabilere Liebesbeziehungen führen (Erstere). Wie viele Bakterien beim Küssen von Mund zu Mund wandern (eine Milliarde pro Milliliter Speichel). Ob der Kauf einer Immobilie das Scheidungsrisiko senkt (ja, um 54 Prozent). Ob schönere Menschen es in der Liebe leichter haben (nein). Und ob Paare, deren Vornamen mit dem gleichen Buchstaben beginnen, länger oder kürzer zusammen sind als Paare mit unterschiedlichen Anfangsbuchstaben (erwiesenermaßen Erstere). Man könnte meinen: Die Liebe ist weitgehend erforscht.
Vor allem die Partnerbörsen im Internet machen sich das Urvertrauen in die hehre Wissenschaft zunutze. Von fast jeder dieser Seiten lächelt einem ein weißhaariger Psychologieprofessor entgegen, der das Unternehmen »wissenschaftlich berät« und für Seriosität und Autorität bürgt. Genau das hat mich während der Recherche für dieses Buch immer wieder fasziniert: Wie erfolgreich Partnerbörsen die Idee verkaufen, die Liebe sei berechenbar geworden.
Unbedingt wollte ich deshalb das Hauptquartier von eHarmony besuchen, jener US -Partnerbörse, die wohl am meisten auf ihre »wissenschaftlichen Erkenntnisse« hält. 11 Im Oktober 2011 bekam ich endlich eine Zusage für ein Interview. Das Unternehmen hat seinen Sitz in Santa Monica bei Los Angeles – in einem gesichtslosen Bürogebäude, nur wenige Minuten vom schrill-bunten Trubel des Santa Monica Piers entfernt. In Sichtweite befinden sich die Unterhaltungsgiganten Yahoo und Universal, das lässt erahnen, in welcher Liga eHarmony spielt: Innerhalb von zehn Jahren ist das Unternehmen zur zweitgrößten kostenpflichtigen Partnerbörse der Welt aufgestiegen (nach Match) – und das, obwohl die Seite im Ruf steht, einen elitären, christlich-konservativen Touch zu haben. Denn keineswegs jeder, der die Monatsgebühr von 59,95 Dollar berappen will, wird auch genommen. Bei geschätzt jedem Fünften heißt es: Ein aussichtsreiches Match können wir für dich leider nicht finden. Die Absage erfolgt wohlgemerkt erst, nachdem man sich durch die 258 Fragen des Persönlichkeitstests geklickt hat. 12
eHarmony ging im Jahr 2000 online. Der weißhaarige Akademiker, der von der Internetseite lächelt, ist in diesem Fall auch einer der Gründer: Neil Clark Warren, ein Theologe und Psychologe, der zu diesem Zeitpunkt bereits dreißig Jahre darauf verwendet hat, die Zufriedenheit von Eheleuten zu erforschen. In seinen Studien fand er heraus, dass Paare, die bestimmte Eigenschaften teilen, besser und länger zusammenleben als Paare, die sich in ihrem Wesen und ihren Ansichten stark unterscheiden. Der Bestsellerautor (»Finding the love of your life«) entwickelte die »Theorie der geteilten Charaktereigenschaften«, in der er 29 Dimensionen von Kompatibilität unterschied, darunter zum Beispiel Ehrgeiz und Neugier. Eine Ehe werde dann glücklich, so Warren, wenn bei den Ehepartnern mindestens zehn dieser Eigenschaften ähnlich ausgeprägt sind.
Bis heute beruht der Matching-Prozess bei eHarmony auf Warrens Theorie. Etliche Partnerseiten orientieren sich an dem Verfahren. Seit fünf Jahren gibt es »eHarmony Labs«. Die konzerneigene Forschungseinrichtung hat den Anspruch, die Liebe in Warrens Sinne weiter zu erforschen. Deren Internetseite ist gleichzeitig Online-Portal für Wissenschaftliches zum Thema Paarbeziehungen. Der Slogan auf der Webseite der »eHarmony Labs« lautet: »Wer hätte gedacht, dass Liebe und Wissenschaft so gut zusammengehen?« Ich bin mit Dr. Gian Gonzaga verabredet, dem Psychologen der eHamony-Labore. Er sieht ein wenig aus wie eine Mischung aus Clark Kent (dem Nerd, bevor er zu Superman wird) und dem FDP -Politiker Philipp Rösler.
Während wir durch die Gänge zu seinem Büro gehen, erzählt mir der Mittdreißiger, wie so eine eHarmony-Studie eigentlich abläuft. »Rekrutiert werden die Teilnehmer über die eHarmony-Seite oder über Aushänge bei Brautschauen oder in Kirchen. Nach und nach werden sie in die Unternehmenszentrale eingeladen und bei bestimmten Aufgaben beobachtet: Paare müssen zum Beispiel ihren letzten Streit nachstellen oder ihre Kosenamen erklären.« Das Labor besteht aus vier videoüberwachten, beige
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