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für ein angemessenes Outfit bei einer Verabredung halten.«
Friederikes No-go-Grenze verläuft entlang ihrer Vorstellung von Ästhetik. Andere Singles ziehen ihre Linie bei Rechtschreibfehlern, der falschen politischen Einstellung oder zu niedrigen Bildungsabschlüssen. Menschen der Mittelschicht stellen weitaus mehr Ansprüche an intellektuelle Eigenschaften und die kulturelle Kompatibilität ihrer Partner als Singles aus der Arbeiterklasse, konnte Eva Illouz zeigen. »Ihre Partner sollten ›intelligent‹ (…), ›originell‹, ›kreativ‹, ›interessant‹ sein, sie sollten (…) ›die gleichen Werte‹, ›den gleichen Lebensstil‹ haben – also allesamt Eigenschaften, die sich in irgendeiner Weise auf Vertrautheit mit den Formen kulturellen Kapitals beziehen«, schreibt die israelische Soziologin in »Der Konsum der Romantik«.
Anders als die »vormoderne berechnende Rationalität«, die die ökonomischen Attribute einer Person im Blick gehabt habe, führe »die heutige romantische Rationalität« dazu, die persönlichen Qualitäten des Partners zu betonen. Illouz’ Fazit: Diejenigen, für die eine Beziehung keinen Vorteil darstellt, betrachten die Liebe am ehesten als unvorhersehbare und unerklärliche Regung des Herzens. Dagegen herrsche eine rationale Sicht auf die Liebe bei denen vor, die in ihrer sozialen Mobilität nach oben ausgerichtet und darum besorgt sind, ihren Status zu erhalten und zu maximieren. Vor allem Angehörige der oberen Mittelschicht, besonders die Frauen, lieferten in Illouz’ Studie sehr detaillierte Eigenschaften, die bei ihren Partnern wünschenswert waren. Wobei natürlich allen Singles gemein ist, jegliches Strategiedenken in der Partnerwahl von sich zu weisen, vor allem im Hinblick auf Einkommen und Status. Der »Anschein der Interesselosigkeit« muss gewahrt werden. (Der Anschein deckt sich übrigens nicht mit der Realität: Freiberufler, Künstler und Studenten haben nachweislich einen schlechteren Stand bei Partnerbörsen.)
Und so verlaufen die psychologischen Erwartungen und No-go-Grenzen bei der Suche nach der Liebe nicht entlang von Einkommensschichten oder Bildungsniveaus – zumindest nicht direkt. Sie werden entlang von Lebensstilen formuliert. 10 Das Gespür, diese Grenzen ausfindig zu machen und zu benennen, ist extrem gut ausgeprägt – wie man auch an Friederikes K.o.-Kriterien Comic Sans und Outdoorjacke sehen kann. So oder so: Am Ende folgt ihre Partnerwahl dem Prinzip »stick to your own kind«, wie es in einem Lied der »West Side Story« heißt: »Bleib bei deiner Art«.
Modern Stalking – Rasterfahndung per Googlesuche, oder: Der Siegeszug der Küchenpsychologie
Friederike gehört einer Generation an, die psychologisch bewandert ist wie wahrscheinlich kaum eine vor ihr. Auch das hat die Partnersuche erschwert, weil es die Liebe – leicht und spontan gemäß dem romantischen Ideal – mit einem doppelten Boden versehen hat, mit einer Metaebene an Reflexion und Analyse. Wo erst mal nur das Herz am Zug wäre, ist von Anfang an der Verstand dabei.
Die Psychologie hat die Soziologie längst als Welterklärungslehre Nummer eins abgelöst. Eine ganze Industrie aus Talkshows, Therapeuten und People-Magazinen gründet darauf, über das Innenleben anderer Menschen zu spekulieren. Um in Lindsay Lohans Seele zu blicken, müssen wir nicht ihre beste Freundin fragen oder ihren Therapeuten kennen: Es reicht, ein Klatschblatt zu lesen, dann wissen wir, warum sie so dünne Ärmchen hat (Bulimie), über angebliche Stalker twittert (narzisstische Persönlichkeitsstörung) und sich die Haare verlängern ließ (Identitätskrise).
Was das alles mit der Liebe zu tun hat? Der Siegeszug der Seelenkunde hat die Partnersuchenden von heute zu Experten gemacht. Die Laienpsychologen praktizieren mit ihrem Halbwissen nämlich vor allem im Fachgebiet »zwischenmenschliche Beziehungen«: Der Typ wohnt noch in seinem Elternhaus? Ödipaler Komplex. Zugenommen? Trennungsschmerz. Akne im Gesicht? Essstörung, Depression, Drogen. Immerhin ist die Haut der Spiegel der Seele!
»Eigentlich sind wir heute psychologisch gesehen permanent überfordert«, sagt Markus Schroer, Soziologieprofessor an der Universität Marburg. Anders als frühere Generationen sind wir ständig mit neuen Menschen konfrontiert, in anderen Städten, neuen Jobs, fernen Ländern. Hinzu kommen die Personen, denen wir nie begegnen werden, die bizarrerweise aber trotzdem eine Rolle in unserem Leben spielen: Prinz
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