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Titel: Diesen Partner in den Warenkorb legen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Annabel Dilling
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Philip einen Knacks, und so beschließe ich, Julian eine Nachricht zu schicken.
    Das meine ich, wenn ich schreibe, dass ich im Lauf dieses Experiments radikaler geworden bin. Ich habe so eine Wäre-doch-gelacht-Haltung entwickelt, einen Ehrgeiz, »es zu schaffen«. Bin ich noch derselbe Single wie vor einem Dreivierteljahr? Unglaublich, wie wichtig mir mein Marktwert geworden ist, diese Selbstbestätigung durch andere. Das Versprechen der Single-Industrie, wonach es so einfach ist, einen Partner zu finden, hat eine Dringlichkeit in mir ausgelöst, die es vorher nicht gab. Ich bin jetzt nicht nur trainiert im Sozialsport »Dating«, ich will das Rennen im Paarlaufwettbewerb, wie Sloterdijk es nennt, nun auch zu Ende bringen.
    »Du schuldest mir noch einen Kaffee, Eis wäre aber auch okay. Diese Woche?«, schreibe ich. Julian antwortet prompt: »Ja klar, ich muss dir doch noch erklären, warum ich mich im Januar nicht mehr gemeldet habe. Dienstagabend?« Und rauf auf’s Pferd. So schnell kann’s gehen.
    Julian schlägt vor, dass wir uns an einem Kiosk an der Isar treffen, dort Bier kaufen und uns ans Wasser setzen – es sind die ersten warmen Frühlingstage. Ein perfekter Vorschlag für ein erstes Date. Es hatte nur wenige Steckbriefinformationen gebraucht, und Julian wusste, dass ich ein Mensch war, der Kiosk-Bier und Isar-Sitzen gut, Cocktail-Mexikaner dagegen doof findet. Bravo, Finya.
    Emotional schwanke ich zwischen relativer Gelassenheit (wegen Philip) und großer innerer Aufregung: Schließlich wollte ich Julian im Januar ganz unbedingt kennenlernen. Relative Gelassenheit heißt outfit-technisch: mäßiges Aufbrezeln. Jeans, Chucks, hellblaue Bluse, Fransenschal, große Ohrringe.
    Als ich vom anstehenden Treffen mit Julian erzähle, schmeißen meine Freundinnen wieder den Projektor mit dem Romantikfilm an. »Vielleicht ist es Schicksal, dass es damals nicht mit euch geklappt hat«, sagen sie. In ihrem Kopfkino läuft »Und es hat Klick gemacht«, in der Hauptrolle: ich. Natürlich hoffe ich insgeheim, dass sie recht haben. Trotzdem versuche ich, meine Erwartungen niedrig zu halten.
    Von verschiedenen Seiten werde ich gefragt, ob ich Julian von meinem Buch erzählen werde. »Stell dir mal vor, du verschweigst ihm, dass er Teil deines Experiments ist, und dann findet er’s heraus. Das wäre ja wie im Film.« Einmal mehr fällt mir auf, wie verankert die narrativen Schablonen sind, die uns die Romantikindustrie vorhält. Natürlich habe ich allen Männern, die ich in diesem Jahr getroffen habe, von meinem Buch erzählt, keiner war argwöhnisch, dass ich Intimes preisgebe. Keiner dachte, er werde von mir »missbraucht«. Die meisten interessierten sich überhaupt nicht dafür.

6
    Nach dem Happy End – Kann denn Liebe Arbeit sein?
    Wie lange leben Schmetterlinge? Im biologischen Sinn zwischen einem Tag und bis zu zehn Monaten 15 , nicht viel länger leben sie im übertragenen Sinn: eineinhalb Jahre – und da muss man schon Glück haben. Bei den meisten Paaren pendelt sich der Hormonhaushalt schon vorher ein, die Ausschüttung des fürs Verliebtheitsgefühl verantwortlichen Hormons Dopamin wird gedrosselt, der Serotoninspiegel, der bei frisch Verliebten erwiesenermaßen so niedrig ist wie bei Menschen mit Waschzwang oder anderen zwanghaften Störungen, steigt wieder auf ein verträgliches Maß. Ein guter Trick der Natur: Schließlich müssen ja Steuererklärungen gemacht und Familienmitglieder mal wieder angerufen werden. Einer Schweizer Umfrage zufolge schaffen 95 Prozent der Befragten es, »intensives Verliebtsein in eine Beziehung zu überführen«.
    Was das Ende des Liebe-macht-blind-Flugs einleitet, hat der inzwischen verstorbene Psychoanalytiker Michael Lukas Moeller erforscht: »Alltag« war die häufigste Antwort, die ihm die befragten Paare gaben (Stichwort: Steuererklärung). Mit etwas Abstand folgten »Kind« und »Konflikte«. Bei Gary und Caroline sind es Rückenschmerzen (sie) und Depressionen (er). Nirgendwo wird das Sterben der Schmetterlinge so brutal und entlarvend beschrieben wie in Jonathan Franzens Roman »Die Korrekturen«. Jede Handlung von Gary Lambert und seiner Frau Caroline ist aus Sicht des anderen Ehepartners in Wahrheit ein Angriff: SIE gibt nur vor, Rückenschmerzen zu haben, um ihn an der Nase herumzuführen. ER spielt nur mit den Kindern, um sich mit ihnen heimlich gegen die Mutter zu verbünden. Franzen zeigt die Höllen des Lebensentwurfs Langzeitbeziehung, in der man gar

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