Diesen Sommer bin ich dein
beide«, erwiderte sie, »dass du mir
einen weitaus größeren Gefallen tust, als ich euch vermutlich tun kann,
Elizabeth. Newbury Abbey wurde für mich unerträglich.«
Sie war bereits
seit zwei Wochen in London, aber weder sie noch die Duchess
hatten bis jetzt den geheimen Grund für ihr Hiersein angesprochen. Elizabeths
vermeintliches Bedürfnis nach Laurens Gesellschaft, während sie die Geburt
ihres ersten Kindes in zwei Monaten erwartete, war nur ein bequemer Vorwand.
»Das Leben geht
weiter, Lauren«, sagte Elizabeth schließlich. »Aber ich will deinen Kummer
nicht schmälern, indem ich dieses Thema ausweite. Es wäre gefühllos von mir, da
ich niemals etwas erlebt habe, was mit dem vergleichbar wäre, was du erlitten
hast - und weil ich letztendlich mein Glück gefunden habe. Obwohl dir
dies vielleicht zur Beruhigung gereichen könnte. Ich war bereits
sechsunddreißig, als ich Lyndon im vergangenen Herbst heiratete.«
Der Duke of
Portfrey war seiner Frau gegenüber sehr aufmerksam und liebte sie zutiefst. Lauren
lächelte zu den als Trost gedachten Worten zustimmend. Sie schlenderten durch
den Hyde Park, wie sie es jeden Morgen seit Laurens Ankunft getan hatten, nur
an drei Regentagen nicht. Die weiten Wiesen zu beiden Seiten des Weges
wirkten, trotz der häufigen Blicke von Spaziergängern und Reitern, verlockend
und täuschend ländlich. Es schien, als sei ein Stück Natur mitten in eine der
größten, geschäftigsten Städte der Welt geworfen worden und hätte dort,
unberührt von der Betriebsamkeit, überlebt.
Sie näherten sich
der Rotten Row, vor der Lauren beunruhigt zurückgeschreckt war, als Elizabeth
vor zwei Wochen zum ersten Mal vorgeschlagen hatte, dorthin zu gehen. Natürlich
war die morgendliche Menschenansammlung mit der eleganten Nachmittagspromenade
im Park keineswegs zu vergleichen, aber dennoch waren zu viele Leute hier, die
sehen und - noch bedeutsamer - gesehen werden wollten. Lauren hatte
geglaubt, sie würde niemals den Mut finden, der Beau monde nach dem Fiasko des
Vorjahres entgegenzutreten.
Die Hälfte der
vornehmen Gesellschaft war im letzten Jahr auf Newbury Abbey in Dorsetshire
versammelt gewesen, um die Hochzeit Lauren Edgeworths mit Neville Wyatt, Earl
of Kilbourne, zu begehen. Am Vorabend hatte ein großer Hochzeitsball
stattgefunden. Lauren hatte damals geglaubt, sie könnte unmöglich glücklicher
sein. Als welch entsetzliche Prophezeiung hatte sich dieser Gedanke erwiesen!
Dann war der Zeitpunkt der Trauung gekommen, in der Dorfkirche, die bis zu den
Türen von der Créme de la Créme der Beau monde besetzt gewesen war - eine
Trauung, die gerade in dem Moment, als Lauren am Arm ihres Großvaters das
Mittelschiff betreten wollte, durch das plötzliche Erscheinen der Ehefrau
unterbrochen wurde, die Neville schon lange totgeglaubt hatte und von deren
Existenz Lauren und die gesamte Familie nicht gewusst hatten.
Lauren war in
diesem Frühjahr nach London gekommen, weil sie es nicht länger ertragen konnte,
mit der Duchess-Witwe und Nevilles Schwester Gwendoline im Witwenhaus zu
wohnen, während Neville und seine Lily nur zwei Meilen entfernt auf dem
herrschaftlichen Wohnsitz lebten. Leider gab es nur wenige Fluchtwege. Sie war
mit Neville und Gwen auf Newbury Abbey aufgewachsen, nachdem ihre Mutter den
Bruder des verstorbenen Earl geheiratet hatte und mit ihm auf eine
Hochzeitsreise gegangen war, von der sie niemals zurückkehrten. Mit unendlicher
Dankbarkeit hatte Lauren damals Elizabeths Einladung gelesen. Aber sie war in
der Annahme nach London gekommen, dass sie wegen Elizabeths Schwangerschaft an
keinerlei gesellschaftlichen Anlässen der Saison würde teilnehmen müssen. Dem
war auch so, aber Elizabeth ging zumindest gerne spazieren.
»Oh, du liebe
Güte«, sagte die Duchess plötzlich, als sie eine kleine Anhöhe erreichten und
in Sichtweite der Rotten Row gelangten. »Ich frage mich, was der Grund für
diesen Menschenauflauf ist. Ich hoffe, es wurde niemand verletzt. Oder von
einem Pferd abgeworfen.«
Auf dem Rasen,
unmittelbar neben ihrem Weg, war in der Tat eine große Ansammlung von Pferden
und Menschen zu sehen. Es waren überwiegend Gentlemen, schien es Lauren. Aber
falls tatsächlich jemand verletzt worden war, wäre die Anwesenheit von Ladys
vielleicht willkommen. Ladys konnten in Notfällen weitaus praktischer handeln
als Gentlemen. Sie beschleunigten ihren Schritt.
»Wie unsinnig von
mir«, sagte die Duchess, »gleich daran zu denken, dass Lyndon
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