Dieser Mann ist leider tot
nach dem Ende des Hitlerfaschismus – zutiefst schockiert haben. Doch nicht nur die Idee, sondern auch die Ausführung von ›Das Orakel vom Berge‹ ist Dick brillant gelungen. Mit diesem Roman ist Dick eine Mischform zwischen dem Mainstream-Roman und der Science Fiction geglückt, wie er sie schon lange angestrebt hatte. Der Roman liest sich anfangs wie eine ganze normale Beschreibung des zeitgenössischen amerikanischen Alltagslebens; auch seine Handlung ist und bleibt in den wichtigsten Zügen völlig realistisch. Doch die Handlungsprämisse ordnet das Werk eindeutig der Science Fiction zu, und zwar der Unterart des Parallelwelt-Romans, dessen bester und bekanntester Vertreter es auch noch fast dreißig Jahre nach seinem Entstehen ist.
In dem vorliegenden Parallelwelt-Roman, den Michael Bishop fünfundzwanzig Jahre nach ›The Man in the High Castle‹ schrieb, formuliert er die Frage um und hängt die Handlung anfangs an der Biographie des Autors vom ORAKEL auf. Was wäre, wenn – fragt Michael Bishop, um seinem Roman Struktur und Fundament zu geben – Philip K. Dick nicht als Science Fiction-Autor bekannt geworden wäre, sondern in der Mainstream Literatur seine Reputation erworben hätte? Und zu dieser Frage hat er, sieht man sich Dicks Lebenslauf etwas näher an, auch allen Grund. ›The Man in the High Castle‹ nimmt für Philip K. Dick beim Verlauf der Dinge, wie sie sich auf unserer Welt entwickelt haben, zweifellos eine Schlüsselposition ein.
Philip Kindred Dick wurde am 16. Dezember 1928 in Chicago geboren. Seine ersten Kindheitstage verliefen alles andere als glücklich. Philip und seine Zwillingsschwester Jane kamen als Frühgeburten zur Welt, die Schwester starb am 26. Januar 1929, einen Monat nach ihrer Geburt. Kurz darauf zog die Familie Dick nach Kalifornien und ließ sich in Berkeley nieder. Die Ehe war nicht von langer Dauer; als Philip fünf Jahre alt war, ließen sich seine Eltern scheiden. Sein Vater Joseph Edgar zog nach Reno (Nevada), und Philip blieb mit seiner Mutter Dorothy (geb. Kindred), seinen Großeltern und einer Tante in Berkeley. Diese Stadt – ein Zentrum der linken Intelligenz in den USA – prägte ihn und sein Werk zutiefst.
Mit zwölf Jahren entdeckte Dick durch Zufall sein erstes SF-Magazin, Stirring Science Stories. Eigentlich suchte er nach einer Ausgabe des Magazins Popular Science, das jedoch vergriffen war; der Titel Stirring Science Stories interessierte ihn jedoch mehr als etwa Romance Nurse Stories.
Dick besuchte die High School und arbeitete nebenbei in einem Schallplattengeschäft; sein Interesse wandte sich von der Country-Music zur klassischen Musik. Daneben schrieb er Texte für eine Radiosendung, die sich der klassischen Musik widmete. 1949 heiratete er, ein Jahr später ließ er sich wieder scheiden. Für einige Semester belegte er Kurse an der University of California in Berkeley. 1951 heiratete er ein zweites Mal. Um diese Zeit lernte er Anthony Boucher kennen, den Herausgeber des Magazine of Fantasy and Science Fiction, der ebenfalls eine Radiosendung über klassische Musik schrieb und Dick zum Verfassen von Kurzgeschichten anregte. Im Oktober 1951 verkaufte er seine erste Story (an Boucher), ›Roog‹, die allerdings erst 1953 erschien. Dick kündigte von einem Tag zum anderen seinen Job in dem Schallplattengeschäft, um als freiberuflicher Schriftsteller zu leben. In der Folge produzierte Dick eine Unmenge von Kurzgeschichten – 1953 dreißig Veröffentlichungen, 1954 achtundzwanzig, 1955 immerhin noch zwölf –, von denen Anthony Boucher zu vermerken wußte, daß sie »jedesmal genau dem Geschmack und den Bedürfnissen der jeweiligen Magazinherausgeber angepaßt« waren. 1953 verkaufte er Stories an fünfzehn verschiedene Magazine, und im Juni jenes Jahres erschienen gleichzeitig in sieben verschiedenen Magazinen Stories von ihm.
Dick versuchte sich nun an Romanen. Monatelang schrieb er an ›Solar Lottery‹ und verkaufte den Roman schließlich an Donald Wollheim beim Verlag Ace. Obwohl das Buch gute Kritiken erhielt (u.a. auch in der New York Herald Tribune – allerdings verfaßt von seinem Freund Anthony Boucher), war dies im nachhinein vielleicht ein bedeutungsschwerer Fehler. Denn Ace Books stellte den in etwa miserabelsten amerikanischen Taschenbuchmarkt dar: Die Honorare waren schlecht, und nur allzu oft mußte der Autor gleich alle Rechte verkaufen, ohne für Nachdrucke oder Auslandsausgaben noch einmal Geld zu sehen. Dick sah
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