Dieser Mann ist leider tot
FBI-Agenten, Dicks damalige Frau zu überreden, die Socialist Workers Party, der sie eine Zeitlang angehörte, auszuspionieren; so berichtet Dick ausführlich von dem Einbruch, bei dem auf der Suche nach seinem Manuskript ›Flow My Tears, the Policeman Said‹ sein Haus verwüstet wurde; und so wird die USA, wie im vorliegenden Roman, als Land beschrieben, das die Freiheit verloren hat. Nixon erscheint hier als Präsident Ferris F. Fremont, eine dominierende Gestalt im Hintergrund, die die USA zu einem diktatorischen Regime umfunktioniert hat. Fremont stammt aus Orange County, »einer so reaktionären Gegend, daß sie uns in Berkley wie ein Phantomland erschien«. Ob nun Fremont in ›Albemuth‹ oder Nixon in ›Dieser Mann ist leider tot‹ – das Klima, das über dem Land liegt, entspricht genau dem, vor dem sich Philip K. Dick als aufrechter und kämpferischer Demokrat stets gefürchtet hat.
Auch sonst treibt Michael Bishop nicht nur ein faszinierendes Spiel mit linearen, parallelen und anderen Wirklichkeiten, sondern auch mit deren Popkulturen. So läuft in seinem Roman die Fernsehserie ›Star Trek‹ bereits erfolgreich im fünfzehnten Jahr, wo doch jeder weiß, daß in unserer Welt für Captain Kirk, Mister Spock und Dr. McCoy bereits nach drei Jahren Schluß war. Doch wer kann schon sagen, welche Auswirkungen es auf die Science Fiction gehabt hätte, wenn die USA tatsächlich den Vietnam-Krieg gewonnen und eine Mondstation errichtet hätten?
Viel unwahrscheinlicher für den SF-Leser als fünfzehn Jahre ›Star Trek‹ klingen hingegen die von Bishop ausführlich beschriebenen Geschicke des Marvel-Superhelden Daredevil alias Matthew Murdock, der seiner verstorbenen Liebe Elektra nachtrauert. Tatsächlich wurde in Heft 181 dieser Serie Elektra von Bullseye getötet, und tatsächlich zeigt das Titelbild der nächsten Ausgabe vom Mai 1982 auch in unserer Welt einen Matt Murdock, der ihr Kreuz umklammert.
Vielleicht war die Abrechnung mit der Nixon-Regierung auch in der Popkultur lange überfällig. Nur wenig später erschien die bahnbrechende und revolutionäre Comic-Serie ›Watchmen – Die Wächter‹, die wiederum Anleihen bei ›Dieser Mann ist leider tot‹ genommen haben könnte: Die USA haben den Krieg in Vietnam gewonnen, ein herzkranker Nixon ist noch immer Präsident, und das Klima im Lande kann nur noch als diktatorisch bezeichnet werden. Philip K. Dick hatte schon sehr früh ein untrügliches Gespür für die Zeichen der Zeit.
Michael Bishop, geboren 1945 in Lincoln/Nebraska, Magister der englischen Literatur, veröffentlichte seine erste Kurzgeschichte 1970 in Galaxy. Als einer der besten Stilisten des Genres wurde er 1982 für seinen Roman ›No Enemy But Time‹ (dt. ›Nur die Zeit zum Feind‹ [11] ) mit dem Nebula Award ausgezeichnet. Schon 1975 schrieb er mit seiner Kurzgeschichte ›Rogue Tomato‹ (deutsch in ›Willkommen in der Wirklichkeit – Die Alpträume des Philip K. Dick‹, hrsg. von Uwe Anton [12] ) eine Hommage an Philip K. Dick. Der vorliegende Roman erschien 1987 in England unter dem Titel ›Philip K. Dick is Dead, Alas‹ und im selben Jahr als ›The Secret Ascension‹ in den USA.
Copyright © 1991 by Uwe Anton
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