Dieser Mann ist leider tot
Oberschenkel. »Es ist wirklich schade, daß Präsident Humphrey das nicht mehr erlebt hat«, sagte sie und deutete mit dem Kopf zum Mond. Die bronzenen und grüngrauen Streifen hatten jetzt die Farbe von Zinn und Platin und strömten in entgegengesetzter Richtung über die Chorschale. Ein bemerkenswerter, wenn auch verwirrender Anblick.
»Yeah, das stimmt«, pflichtete Dolf ihr bei. Humphrey war bei einem Hubschrauberabsturz in Camp David ums Leben gekommen, einen Tag, nachdem die Apollo-11-Astronauten in Cape Kennedy zur ersten erfolgreichen Mondlandung gestartet waren. Frisch vereidigt, hatte Muskie die drei, Armstrong, Aldrin und Collins, nach ihrer Rückkehr an Bord des Flugzeugträgers U.S.S. Hornet begrüßt, aber der Triumph der Nation war von tiefer Trauer gedämpft worden. Die NASA weihte die nächsten vier Apollo-Missionen dem Gedenken an den verstorbenen Präsidenten, aber der schockierende Fehlschlag der Apollo-15-Mission läutete die Totenglocke für das gesamte Programm. Die Sowjets hatten, indem sie ihre Versuche auf Orbitalflüge beschränkt hatten, buchstäblich sichergestellt, daß vor dem Jahr 2000 kein Mensch mehr einen Fuß auf den Mond setzen würde.
Und dann war im zweihundertsten Jahr Amerikas der Chor gekommen. Zunächst – Massenhysterie. Dann – die wachsende globale Überzeugung, daß die Menschheit sich niemals auf den Mond wagen würde, solange diese geheimnisvollen Aliens ihn bewohnten.
Im selben Jahr besiegte Barbara Jordan, die von Muskie für die Demokraten als Präsidentschaftskandidatin nominiert worden war, Ronald Reagan in der allgemeinen Wahl, und der Chor fing an, die wie vom Donner gerührte menschliche Spezies mit Technologie und Ratschlägen einzudecken.
Acht Jahre ihrer Großzügigkeit indessen hatten Dolf nicht unempfindlich für die Absonderlichkeit – ja geradezu Abartigkeit – der Beziehung zwischen diesen unfaßlichen Energiewesen und der Menschheit werden lassen, doch nun fuhr er hier in einem ihrer Schiffe zu dem unglaublichsten aller himmlischen Rendezvous, und seine oberste Sorge war nicht die, daß die Packards unversehrt nach Hause zurückkehren möchten oder daß er einen guten Eindruck auf Gott machen möge, sondern daß die Kinder davon Abstand nehmen möchten, ihn und Leah auf dieser Reise verrückt zu machen. Er war kurz davor, um ihr gutes Benehmen zu beten, und wenn er es täte, würde der Heilige ihn hoffentlich, verflucht noch mal, erhören …
In einem Kloster in der Nähe von Conyers, Georgia, saß Philip Kyle Dick in seiner Zelle und schrieb.
Gott oder der Demiurg hatte ihm die Hand auf die Schulter gelegt und gab ihm zu verstehen, daß diese verschrobene Realität noch immer nicht die sei, in der er leben wolle.
Er war dreiundfünfzig Jahre alt, und seine literarische Laufbahn lag hinter ihm in Trümmern.
Daher sein Rückzug in diese trappistische Einrichtung, ein Ableger von der in Kentucky, in die Thomas Merton gehört hatte.
Daher seine fieberhaften Betrachtungen bis tief in die Nacht hinein, weit über alle kanonischen Stunden mönchischer Anbetung hinaus.
Daher seine Erkenntnis, daß er für sich und seine Landsleute den Weg aus der Knechtschaft hinaus würde schreiben müssen.
Denn diese Realität würde sie für immer festhalten, wenn er nicht zur Feder griffe und sich daran machte, die Welt neu zu erschaffen. Noch einmal mußte er eine konzertierte Bemühung wagen, die Erlösungsschaltung zuwege zu bringen.
Und so bewegte Philip Kyle Dick die Feder übers Papier und änderte sorgsam die grundlegenden Konturen des Universums.
Nachwort
UWE ANTON
Michael Bishops DIESER MANN IST LEIDER TOT und die literarischen Erben Philip K. Dicks
W as wäre, wenn …«, fragt Philip K. Dick in ›The Man in the High Castle‹ (dt. als ›Das Orakel vom Berge‹), dem Roman, den Michael Bishop für den besten des Autors hält: was wäre, wenn die Achsenmächte den Zweiten Weltkrieg gewonnen und des Tennos Truppen und Nazi-Deutschland die USA unter sich aufgeteilt hätten? Die Japaner haben in Dicks Roman die Westküste – die Pazifischen Staaten Amerikas, die PSA – okkupiert, die Nazideutschen die Ostküste. Dazwischen liegen die Rocky Mountain-Staaten als Pufferzone. Vor diesem Hintergrund entwickelt sich die Handlung um das Schicksal von vier Hauptpersonen, von denen drei im von den Japanern besetzten San Francisco leben.
Diese Ausgangssituation muß die Leser Anfang der sechziger Jahre – lediglich gut fünfzehn Jahre
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