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Dieser Sonntag hat's in sich

Dieser Sonntag hat's in sich

Titel: Dieser Sonntag hat's in sich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcia Muller
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bestehe keine Gefahr. Der Aufseher
war bereit, meiner Bitte nachzukommen, und wollte noch mal mit dem Wachmann
sprechen; nachdem er aufgelegt hatte, gab mir der Wachmann einen vorläufigen
Ausweis.
    Die überfüllte, längliche Halle war mit
Neonröhren hell ausgeleuchtet. An den Seiten reihte sich ein mit Blumen und
Pflanzen beladener Stand neben den anderen; Berge von Kisten, Steigen und
Schachteln türmten sich in der Mitte. Der Markt erstreckte sich über einen
ganzen Häuserblock, wobei ein Großteil im Freien unter dem dunklen,
nebelverhangenen Himmel lag. Mein Blick schweifte über Rosen und Gladiolen,
Nelken und Chrysanthemen, während ich Wilkonson suchte. Leute in
Arbeitskleidung, die meisten dick vermummt gegen die kalte Morgenluft, liefen
hin und her, untersuchten die Farbe der Blüten und prüften die Frische der
Blätter mit den Fingerspitzen. Nach einem Augenblick sah ich Wilkonson, der
langsam die rechte Seite abging und an jedem Stand stehenblieb. Sein Gang war
nicht mehr steif vor gebändigtem Zorn; er ging fast schlafwandlerisch dahin,
hielt bei jedem Stand inne und betrachtete vor dem Weitergehen jedes Gesicht — von
Käufern und Verkäufern.
    Ich folgte ihm zweimal um den Markt
herum, aber er schien nicht die Absicht zu haben, schon zu gehen. Nach einer
Weile schien er aufzuwachen, aber die Spannung des vergangenen Tages war von
ihm gewichen. Er schien fast resigniert, so als ob er keine Hoffnung habe, daß
seine Suche erfolgreich sein könnte. Als er seine dritte Runde begann, stellte
ich mich neben einen kleinen Wald aus Eiben und beobachtete ihn von dort.
    Um mich herum herrschte ein
geschäftiges Treiben. Die Verkäufer brachten immer mehr Waren. Die Käufer
gingen rasch von Stand zu Stand, untersuchten die Pflanzen und Blumen, prüften
kritisch, ob sie frisch seien, tauschten Freundlichkeiten und gutmütige Scherze
aus, feilschten mit großer Begeisterung. Ein großer Mann kam vorbei, besah sich
gründlich die Eiben und versperrte mir den Blick auf Wilkonson. Eine Frau
gesellte sich zu dem Mann, schüttelte den Kopf und zog ihn fort. Als sie
weitergingen, sah ich Wilkonson vor einem Meer von Schleierkraut stehen.
Sekunden später ging er weiter zu einem Stand, wo Dutzende von Farnbündeln an
Drähten von der Decke hingen. Er klapperte die Stände methodisch ab; jetzt
machte er sich nicht mehr die Mühe, die Verkäufer zu betrachten, sondern
beäugte nur noch die Käufer.
    Sein Verhalten bestätigte meinen
Verdacht, daß er jemanden suchte, der mit dem Blumengewerbe in Verbindung
stand; nur Professionelle hatten zu diesem Markt Zutritt. Aber welche
Verbindung hatte Wilkonson? Er hatte dem Wachmann einen Ausweis gezeigt. Rudy
Goldring hatte doch gesagt, daß er auf einer Ranch arbeite. Auf was für einer
Ranch...?
    »Sharon McCone!«
    Ich machte einen Satz. Eine dicke Frau
in einem grellgrünen Sackkleid stand neben mir. In den wilden Locken ihres
grauen Haares steckte eine rosa Nelke, und sie grinste mich mit ihrem
lückenhaften Gebiß an.
    »Sallie Hyde«, sagte ich.
    Sallie baute sich vor mir auf und
streckte mir ihre fette Hand entgegen.
    »Was machst denn du hier?«
    Sie versperrte mir die Sicht auf
Wilkonson. Ich nahm sie bei der Hand und zog sie zur Seite. Wilkonson stand vor
einem Turm aus Kisten, der von irgendwelchen mir unbekannten roten exotischen
Blüten gekrönt wurde. »Ich arbeite«, sagte ich.
    Sallies Gesicht nahm einen schlauen,
wissenden Ausdruck an. Ich hatte sie kennengelernt, als ich vor ein paar Jahren
an einem Fall im Tenderloin-Hotel arbeitete, wo sie wohnte.
    »Dann verzieh’ ich mich wohl besser.«
    »Nein, bleib und unterhalte dich mit
mir. Du...« Ich unterbrach mich, da ich fast etwas Unhöfliches über ihre
Leibesfülle, hinter der ich mich verstecken konnte, gesagt hätte.
    Sallie fühlte sich aber in ihrer Haut
durchaus wohl. »Ich eigne mich gut als Deckung, stimmt’s?«
    »Stimmt.«
    »Ich helfe gern. Wie kommst du hier
rein?«
    »Der Aufseher hat mich reingelassen.«
    Dann fiel mir ein, daß dies auch ein
ungewöhnlicher Ort für Sallie war. Als ich sie das letzte Mal gesehen hatte,
arbeitete sie als Verkäuferin an einem der Blumenstände am Union Square. »Hast
du dir eine neue Arbeit gesucht?«
    »Ich arbeite immer noch für die
gleichen Leute, aber bin jetzt selbst so eine Art Aufseherin. Ich beaufsichtige
unsere verschiedenen Stände und mach’ den Einkauf für die Menottis.«
    »Sallie, das ist ja toll!« Es gibt nur
zwölf Blumenstände in der

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