"Dieser Weg wird kein leichter sein,,,": Mein Leben und ich (German Edition)
in die Regionalliga abstiegen. Der Verein stand unter Zugzwang. Er musste mit neuen jungen Spielern ein neues Team aufbauen und zog mich aus der A-Jugend hoch. Und ich hatte wieder großes Glück. Denn ein guter Stürmer zu dieser Zeit, Boris Besovic, war eigentlich für das neue Team gesetzt, wechselte aber den Verein, um sich zu verbessern. Ich nutzte die Chance und startete durch, Besovic hatte Pech und wurde doch kein Profi, obwohl er auch schon in deutschen U-Nationalmannschaften gespielt hatte. Ich schaffte den Sprung in den Regionalligakader. Wir hatten ein tolles Team und wurden 1997 Meister in der Regionalliga mit Otto Addo, Fabian Ernst – und mir.
Ich wollte meine Eltern nicht enttäuschen
Fabian Ernst war zu dieser Zeit einer meiner besten Freunde. Ich war viel bei ihm zu Hause und genoss es, dort Dinge zu sehen, die ich von uns zu Hause nicht kannte. Fabian hatte zum Beispiel einen Schrank mit Süßigkeiten, aus dem wir uns immer ordentlich bedienten. Junge Fußballer brauchen schließlich Kraft! Oder der Kühlschrank im Hause Ernst: Immer voll mit Joghurt. Auch das kannte ich nicht. Denn im Hause Asamoah war nur das Nötigste vorhanden. Schließlich fehlte doch hier und da das Geld. Aber der Joghurt und die Süßigkeiten waren nicht der Hauptgrund, warum ich mich bei Familie Ernst so wohl gefühlt habe. Irgendwie waren Mama und Papa Ernst meine zweiten Eltern. Ich habe sie sehr gemocht. Sie haben mich von Anfang an so genommen, wie ich bin. Einmal sogar sollte mich Papa Ernst bei Vertragsverhandlungen begleiten, so vertraut habe ich ihm. Leider wollte das der Verein nicht.
Meinen ersten Urlaub verbrachte ich mit der Familie meines Freundes Timo Marner. Ich kann mich noch gut daran erinnern, wie komisch ich das fand, dass die ganze Reisegruppe den kompletten Tag am Strand herumlag. Für mich war das undenkbar, denn was sollte ich da? Ich habe ja schon erzählt, wie viel das Wasser und die Sonne einem gebürtigen Ghanaer bedeuten. Ich wollte eher neue Dinge entdecken und war froh, dass ich nach ein paar Tagen wieder abreisen durfte. Ich musste nämlich Fußball spielen. Das tat ich dann doch lieber, als am Strand von Heiligenhafen zu schmoren. Überhaupt kannte ich so etwas wie Urlaub gar nicht. Bevor es mit den Marners an die See ging, war ich einmal in der Türkei gewesen. Da war ich 15 Jahre alt, aber als Urlaub konnte man die Zeit dort nicht beschreiben. Es handelte sich um ein Trainingscamp mit Hannover 96.
Offen gestanden, habe ich mich lange gefragt, was ich so toll fand an anderen Familien. Ich glaube, dort gab es etwas, was ich zu Hause in meiner Kindheit vermisst habe. Eine Eltern-Kind-Beziehung mit viel Aufmerksamkeit füreinander, offen gezeigten Gefühlen und viel miteinander verbrachter Zeit gab es bei uns nicht. Ich hatte viel zu viel Respekt vor meinen Eltern und hätte es auch nie gewagt, mit Problemen zu ihnen zu gehen. Ich musste mit allem selbst klarkommen. Unser Verhältnis war klar definiert: Brauchte ich Geld für die Fahrkarte, war das kein Problem. Aber sonst wollte ich meine Eltern nicht belästigen. Sie hatten aus meiner Sicht so viel zu tun, rackerten sich für uns ab. Sie sollten stolz auf mich sein und das konnte ich nur erreichen, indem ich im Prinzip das gemacht habe, was sie gesagt und auch gefordert haben. Und über allem lag die Angst, ja alles richtig zu machen, damit es keinen Stress gab. Emotionen zeigten wir zu Hause kaum und wenn ja, dann eher negative. Deshalb bin ich auch nie zu meinem Vater gegangen. Seine Erziehung war sehr streng, ich wollte ihn nicht behelligen. Wahrscheinlich finden Sie das jetzt ungewöhnlich, dass ich mich dermaßen untergeordnet habe. Aber ich kannte es aus Ghana nicht anders. Nicht auffallen um jeden Preis war ja auch im Internat die Devise der Wahl gewesen. Und damit bin ich gut gefahren. Vermutlich fehlte mir deshalb ein innigeres Verhältnis zu meinen Eltern auch nicht bewusst. Und selbst wenn ich heute im Rückblick natürlich denke, dass ich gerne viel mehr mit Mama und Papa gekuschelt, getobt und gelacht und vor allem etwas zusammen unternommen hätte: Wahrscheinlich hat es mir geholfen, früh auf eigenen Beinen zu stehen und vor allem meinen Weg zu gehen.
Übrigens habe ich mich immer gewundert, dass ich mich oft dafür geschämt habe, dass wir zu Hause viele Dinge nicht hatten. Dennoch fanden es alle, die mich besucht haben, bei uns »echt cool«. Es war eben anders als anderswo. Immer was los, viele Leute und stets etwas
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