"Dieser Weg wird kein leichter sein,,,": Mein Leben und ich (German Edition)
erwarten. Es mussten schon deutliche medizinische Argumente auf den Tisch, dass ich wieder spielen kann. Die aber waren nicht in Sicht!
Ich hatte zu dieser Zeit bei Hannover 96 einen Profivertrag bis Juni 2000, das hieß, ab dem Moment der Krankschreibung war ich ein Arbeitnehmer mit gekürzter Lohnfortzahlung. Sollte sich daran nichts ändern, wäre ich am Ende der Vertragslaufzeit ein Fall für das Arbeitsamt. Ohne Ausbildung! Ein Traum drohte zu platzen, eine Katastrophe zu nahen. Am 3.10.1998 feierte ich meinen 20. Geburtstag. Es wurde keine ausgesprochen ausgelassene Feier. Ich war in einer Sackgasse gelandet, an deren Ende es keinen Wendehammer gab.
Ich stand unter Schock. »Was hat mein Leben jetzt noch für einen Sinn?«, habe ich mich damals verzweifelt gefragt. Erst schien sich für mich eine Bilderbuchkarriere anzudeuten, jetzt brach eine heile Fußballerwelt zusammen, alle meine Ziele und Pläne hingen an einem seidenen Faden. Wenn ich damals meinen Glauben an Gott nicht gehabt hätte, wäre ich regelrecht »kaputtgegangen«. Ich hatte das Gefühl, dass mir Menschen in dieser schwierigen Situation nicht mehr helfen konnten, und begann, Gott um Hilfe zu bitten. Ich wusste, dass sich die Dinge nicht sofort ändern würden, dafür aber änderte sich meine Einstellung. Ich begann zu kämpfen – und mein Vertrauen ganz in Gottes Hand zu geben.
Eine belastende Zeit brach an. Die Untersuchungen und Termine nahmen viel Zeit in Anspruch, an Fußball war nicht mehr zu denken, zumal ich das Verbot zu respektieren hatte, nicht zu trainieren. Trotzdem lief ich heimlich meine Trainingsrunden, auch um mich abzulenken. Alle litten mit mir, meine Familie war durch die Diagnose völlig aufgedreht. Als ich eines Morgens von einer Party nach Hause kam und mir vor Kopfschmerzen übel war, suchte ich in der Wohnung die Toilette auf. Da ich aber nicht erbrechen konnte, legte ich mich kurz auf den Boden. Da kam meine Mutter auf die Toilette, sah mich liegen und schrie laut auf. Sie dachte, ich sei tot! So blank lag das Nervenkostüm.
Eines Tages rief mich ein Reporter einer Zeitung an und fragte, wie es mir gehe. Gute Frage, nächste Frage, habe ich gedacht; gesagt habe ich aber natürlich »gut«. Zu dieser Zeit, das muss man dazu sagen, ging mein Fall nicht nur einmal durch die Presse. Alle stürzten sich auf das Herzdrama des Sturmtalents aus Hannover. Der Journalist wusste also auch, dass meine Antwort, es gehe mir gut, ziemlich übertrieben war. Spontan lud er mich zu sich ein und entgegen meiner sonstigen Vorsicht gegenüber der Presse sagte ich zu. Er war mir gegenüber immer fair in seiner Berichterstattung gewesen, sodass ich keinen Verrat witterte. Im Gegenteil, ich merkte sofort, dass er mir helfen wollte. Er hatte anscheinend einige Kontakte, die er nutzen wollte. In meinem Beisein führte er einige Telefongespräche – es kam Bewegung in meine Sache. Stillstand hatte es ja genug gegeben in der letzten Zeit.
Aber auch bei Hannover war man nicht untätig. Denn ein junges Talent einfach so zu verschleudern, ohne den Versuch unternommen zu haben, etwas zu retten, konnte sich ein Verein wie 96 gar nicht erlauben. Aber jeder wusste: In Deutschland waren alle Karten gespielt. Es musste deshalb weltweit recherchiert werden. Besonders unser Mannschaftsarzt hatte sich richtig in die Materie eingearbeitet, wovon ich in meiner Depression erst gar nichts mitbekommen hatte. Ihm kam eine geniale Idee: Wenn man in Deutschland mit einer solchen Krankheit keine großen Erfahrungen hatte, weil die Zahl der Erkrankten zu gering ist, könnte es doch sein, dass man Länder findet, wo das anders ist. Schon damals gab es nämlich erste Studien darüber, dass Schwarze überdurchschnittlich oft von dieser Krankheit betroffen sind. Wo also gibt es viele Schwarze mit afrikanischem Ursprung und dazu ein gut ausgeprägtes und renommiertes Gesundheitssystem, das Studien zu diesem Thema vorlegt? Dr. Wego Kregehr wälzte medizinische Fachzeitschriften, kramte in Untersuchungsakten, telefonierte mit Kollegen und kam schließlich zu einem Ergebnis. Das Land unserer Hoffnungen, mögen sie auch noch so klein sein, ist die USA. So kam es, dass er mit dem National Health Center in Washington Kontakt aufnahm. Und so unglaublich es klingt, man sagte uns, wir könnten sofort kommen und man freue sich auf unseren Besuch. Das war Balsam auf meine frustrierte Seele: Anscheinend war dort jemand, der für mich und nicht gegen mich arbeiten wollte.
Dann
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