"Dieser Weg wird kein leichter sein,,,": Mein Leben und ich (German Edition)
erlebt.
Klar war, dass wir eine Empfehlung aus Washington umsetzen wollten. Erstens sollte ich von jetzt an einen Betablocker nehmen, der die Rhythmusstörungen minimieren und die maximale Herzfrequenz senken soll, und zweitens sollte von nun an immer ein Defibrillator am Spielfeldrand stehen – als reine Vorsichtsmaßnahme und zur Beruhigung der Gemüter. Denn der DFB hatte schon angekündigt, dass er auf keinen Fall einen Spieler auf dem Platz vor einem Millionenpublikum sterben sehen wolle. Auch das sei ein Grund dafür, warum er mir die Spielbescheinigung entzogen habe. Wenn es also dazu kommen sollte, dass ich wieder auflaufe, dann wenigstens mit der Gewissheit, dass im Notfall etwas getan werden kann.
Bis die Unterlagen aus Amerika endlich übersetzt waren, dauerte es eine Zeit. Sie kam mir unerträglich lang vor, aber so hatte wenigstens ein Mann ausreichend Luft, um über sein weiteres Vorgehen nachzudenken. Wego Kregehr war natürlich klar, dass meine Zukunft von ihm abhing. Doch er war davon überzeugt, dass die Ärzte in den USA recht hatten, und so entschloss er sich, die ärztliche Unbedenklichkeitsbescheinigung auszustellen, die ich so dringend brauchte. Er übernahm die Verantwortung für mich. Von nun an war mein Schicksal mit seinem untrennbar verbunden. Sollte mir wegen meines Herzens auf dem Platz etwas passieren, hätte er automatisch seinen Job aufs Spiel gesetzt. Denn dann wäre die Unbedenklichkeit Geschichte und sein Urteil ein Fehlurteil. Welcher Arzt kann sich das schon erlauben, noch dazu in aller Öffentlichkeit?
Aus diesem Grund habe ich damals eine Abmachung mit ihm getroffen. Im Falle eines Schadens habe ich ihn von jeglicher Verantwortung entbunden, sodass niemand gegen ihn vorgehen kann und auch keine Regressansprüche möglich sind. Seither spiele ich sozusagen auf eigene Verantwortung. Trotzdem muss natürlich jeder Verein aufs Neue unterschreiben, dass ich spieltauglich bin. Dafür macht der DFB aber keine eigenen Untersuchungen, sondern akzeptiert die Berichte der Vereine. Das irritierte sowohl mich als auch Wego Kregehr, der meinen Fall mit dem DFB und dessen führenden Ärzten diskutieren wollte. Aber der Verband zeigte kein Interesse, wenngleich er kurz darauf das Herzecho als verbindliche Untersuchung in seinen ärztlichen Untersuchungskatalog für Profispieler aufnahm. Nur: Mit der Verantwortung, was meine Spieltauglichkeit betraf, wollte niemand aus den Verbandsreihen etwas zu tun haben. Und als ich dann als Nationalspieler die deutschen Farben vertrat, wurde nach meiner Krankheit nicht mehr gefragt.
So kam mit meinem Fall auch der Notfallkoffer, der sogenannte Defibrillator, in die Stadien. Mittlerweile ist seine Verfügbarkeit dort verbindlich geregelt. Was war das am 15. Dezember 1998 für ein großes Aufsehen im Stadion des Karlsruher SC, als ich das erste Mal nach meiner Schwindelattacke im September wieder spielte und natürlich der »Defi« erstmals am Feldrand stand. Ich wage fast zu behaupten, dass er öfter fotografiert wurde als Wego Kregehr und ich zusammen. Ich weiß nicht, wie Wego sich gefühlt hat: Ich jedenfalls war überglücklich, denn ich konnte wieder Fußball spielen. Da war mir dann auch die 0:1-Niederlage völlig egal. In der 58. Minute wurde ich eingewechselt und mein zweites Fußballerleben begann.
Am Ende des Spiels war ich fix und alle und ließ mich auf den Rücken fallen, schaute in den Himmel und wusste, bei wem ich mich zu bedanken hatte. Als ich dann aber sagte, ich hätte Rückenschmerzen, schauten mich alle ganz bekümmert an. Ein Schicksal, das ich danach noch öfters zu erleiden hatte. Immer wenn bei mir irgendwelche Beschwerden auftraten, hatten die besorgten Menschen um mich herum meist sofort mein Herz im Hinterkopf. Danke für die Fürsorge von damals, aber es war immer alles in Ordnung! Seither sind zwölf Jahre vergangen und nichts ist passiert. Für mich brauchte der Notfallkoffer bisher nicht geöffnet zu werden und ich hoffe, das wird auch weiterhin so bleiben.
Heute hat sich einiges geändert. Obwohl der plötzliche Herztod immer wieder auftritt und wahrscheinlich nie ganz zu verhindern ist, sind die Vorsorgemaßnahmen wesentlich verbessert worden. In der Bundesliga werden die Spieler einmal im Jahr sehr umfassend untersucht, für die Bundesligaprofis ist die jährliche Herzuntersuchung Pflicht. Wahrscheinlich ist es im Moment nicht vorstellbar, dass man das Angebot an Präventivmaßnahmen im deutschen Leistungssport
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