"Dieser Weg wird kein leichter sein,,,": Mein Leben und ich (German Edition)
Schließlich standen vor dem für die meisten Spieler verdienten Urlaub noch zwei Qualifikationsspiele gegen Finnland und Albanien auf dem Programm. Kein besonders guter Termin, da die meisten körperlich schon auf dem Zahnfleisch gingen. Für mich galt das nicht. Trotz des absolut frustgeladenen Endes der Saison mit der unglücklichen Vizemeisterschaft und dem darauffolgenden Pokalsieg mit Feierstunden bis zum Abwinken war ich noch voller Adrenalin. Schließlich freute ich mich riesig auf mein erstes richtiges Länderspiel.
Auch ohne Gelegenheit zur Erholung war ich richtig heiß auf meine Premiere. Eine komische Mischung aus Vorfreude, Nervosität und Angst beherrschte mich. Und noch komischer: Ich empfand eigentlich keinen größeren psychischen Druck. Es war eben so, wie es war, und ich hatte es so gewollt. Aber warum trotzdem diese eigenartige Gefühlsmelange? Das A2-Länderspiel war ein schwacher Auftakt gewesen angesichts dessen, was mich jetzt erwartete. Ein Spiel im Ausland ohne große öffentliche Beachtung ist nicht zu vergleichen mit einem Heimspiel der aktuell besten Spieler Deutschlands.
Bremen war der Ort, von dem jetzt jeder Fußballfan wusste, dass es dort die Premiere des ersten Schwarzafrikaners im deutschen Nationaldress geben könnte. Wie würde ich wohl rüberkommen, wie beim Publikum im Weserstadion, aber auch bei den Stars des Nationalteams wohl aufgenommen werden? Gegen die meisten hatte ich ja inzwischen in meinem ersten Jahr in der ersten Liga schon gespielt. Doch so richtig kannte ich die Einzelnen nicht. Außerdem würde es etwas ganz anderes sein, mit ihnen auf einer Stufe zu stehen und mit ihnen zusammen an einem neuen Projekt zu arbeiten, das Weltmeisterschaft hieß. Der kleine Asamoah, der kleine Schwarze ist jetzt Nationalspieler, schoss es mir immer wieder durch den Kopf.
Lauter Stars
Da auch Jörg Böhme nominiert war, wurden wir beide morgens aus Gelsenkirchen abgeholt und nach Bremen gefahren. Auf den hinteren Sitzen machten wir zwar ab und zu Späße, aber die meiste Zeit war es ruhig im Auto und jeder hing seinen Gedanken nach. Da wir durch das Pokalendspiel die Letzten waren, die im Mannschaftshotel ankamen, wurden wir schon erwartet. Das war nicht unbedingt nach meinem Geschmack, denn so konnte ich nicht in der Masse untergehen, sondern stand gleich auf dem Präsentierteller. Wenn jetzt jemand denkt, das sei man als Profi doch gewohnt, dann stimmt das zwar, aber meistens befindet man sich doch in gewohnten Situationen. Diese hier aber war völlig neu für mich.
Schon am Eingang des Hotels warteten Journalisten, um noch ein paar Statements aufzufangen. Gott sei Dank lotste der damalige Pressechef Wolfgang Niersbach Jörg und mich routiniert an den Reportern vorbei, denn ich hätte vermutlich nur Unsinn erzählt. Wobei ich den ersten peinlichen Moment schon hinter mir hatte: Ich kam nämlich mit meiner Schalke-Tasche an! Da ich erstmals beim Nationalteam war, hatte man mich natürlich noch nicht eingekleidet, geschweige denn mit DFB-Taschen ausgestattet. Den prüfenden Blick von Niersbach bemerkte ich sofort, aber auch sein Wohlwollen und Verständnis für einen Länderspiel-Novizen.
Im Hotel war das Team gerade beim Mittagessen. Kennen Sie die Situation, wenn man in einen Raum kommt und das Gefühl hat, augenblicklich verstummen die Gespräche und alle schauen einen an? So habe ich meinen Auftritt empfunden, auch wenn es in Wahrheit vielleicht gar nicht so extrem gewesen sein mag. Ich fühlte mich jedenfalls auf Schritt und Tritt beobachtet und wusste nicht so recht, wie ich mich verhalten sollte. So entschied ich, alles so zu machen wie Jörg. Als Teamchef Rudi Völler und Trainer Michael Skibbe aufstanden, um uns zu begrüßen und vor allem uns noch einmal zum Pokalsieg zu beglückwünschen, hielt ich mich brav hinter Jörg. Ich kam mir vor wie ein kleiner Schuljunge auf einer Familienfeier. Jörg Böhme ging sodann alle Tische ab und machte shake hands mit jedem. Ich also hinterher. Mit schweißnassen Händen – vom Schütteln wie vor Aufregung. Dann sollten wir etwas essen, obwohl ich keinen Hunger hatte. Dennoch nahm ich mir etwas und stocherte achtlos darin herum. Ich war so abgelenkt vom Anblick der anderen Nationalspieler, dass das Essen fast unberührt blieb.
Nicht dass ich voller Bewunderung war, aber meine eigene Anwesenheit inmitten der Topstars des deutschen Fußballs machte mich doch ein wenig fassungs- und vor allem sprachlos. Das war wirklich das
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