"Dieser Weg wird kein leichter sein,,,": Mein Leben und ich (German Edition)
Ungewöhnlichste. Normalerweise bin ich der Spaßmacher und Sprücheklopfer, aber an diesem Ankunftstag und beim ersten Training war ich wie abgestellt. Die anderen wussten ja nicht, dass dies meine normale Reaktion auf Nervosität ist. Drehen die einen auf und werden extra laut, werde ich zum großen Schweiger und spreche nur, wenn ich angesprochen werde. Ja, da saßen sie nun alle um mich herum: Oliver Bierhoff, Olli Kahn, Jens Nowotny, Marco Bode … Ich konnte mich an ihnen gar nicht satt sehen. Sie dachten sich vermutlich ihren Teil. Vielleicht auch daran, dass es bei ihnen genauso gewesen war, beim ersten Mal im Nationalteam!
Ich darf auflaufen
Beim ersten Training lief eigentlich alles ganz ordentlich. Außer, dass ich noch mehr geschwitzt habe als sonst. Aber das wussten die anderen ja nicht. Zwei Eingeweihte hatte ich dennoch: Jörg Böhme und Sebastian Kehl, den ich aus der Zeit bei Hannover kannte und der jetzt für den SC Freiburg Nationalspieler war. Obwohl ich ja wusste, was ich konnte, habe ich beim Training bestimmte Dinge nicht gemacht. Ich habe mich einfach nicht getraut, weil ich Angst hatte, etwas falsch zu machen. Umgeben von zu vielen guten Fußballern, wollte ich nicht gleich auf dicke Hose machen – und auch nicht den Kaspar spielen. Diese Rolle übernahm Christian Ziege, der mich mit seinen Späßen etwas vom »Ernst der Lage« ablenkte. Rührend hat sich auch Oliver Bierhoff um mich gekümmert. Er war anscheinend auf mich, den Neuen, angesetzt.
Beim Training hatte ich übrigens meine Taktik nicht geändert: Alles machen wie Jörg Böhme lautete die Devise. Nur einmal ging das nicht: Beim Trainingsspiel mussten wir gegeneinander antreten. Die meiste Zeit über wurde ich von Rudi Völler beobachtet. Was sollten diese prüfenden Blicke bedeuten?
Jeder Trainer wird im Laufe der Zusammenarbeit von den Spielern auf eine bestimmte Art und Weise einschätzbar, aber Völler war für mich in diesem Moment ein Buch mit sieben Siegeln. Am Ende des Trainings nahm er mich dann beiseite. Für ein Gespräch gab es viele Optionen. Die Saison, der Pokalsieg, mein erster Eindruck, das alles hätten Themen sein können. Doch Völler fragte mich, wie ich mich fühle. »Bist du fit?«, war seine berechtigte Sorge nach der langen Saison und der zugegebenermaßen nicht gerade kleinen Feierstunde nach dem Pokalsieg. Selbst wenn ich auf dem Zahnfleisch gegangen wäre, hätte ich an dieser Stelle natürlich mit einem unmissverständlichen »Natürlich!« geantwortet. Aber diese Antwort brauchte ich ihm gar nicht erst zu geben, denn er sagte: »Ich will, dass du morgen von Beginn an spielst!«
Die Hymne
Danach war ich den ganzen Abend im Tunnel. Ich habe telefoniert ohne Ende, um allen Freunden zu erzählen, dass ich von Anfang an spielen werde. Auf dem Bett liegend, blickte ich an die Decke und malte mir aus, wie es sein würde, wenn ich den Platz betrat. Als der große Tag kam, war alles ein wenig unwirklich. Wie in Watte gepackt, sodass man sich hinterher nicht mehr so richtig an Einzelheiten erinnern kann. Wir haben am Morgen leicht trainiert, das zumindest weiß ich. Der Blick in die Vergangenheit wird erst wieder glasklar, wenn ich an die Aufwärmphase und das Warmlaufen denke. Die Zeit vor dem Spiel war fast anstrengender als das Spiel selbst, da ich extrem auf meine Aufgabe fokussiert war. Ich sollte gut spielen, dem Nationalteam eine Hilfe sein und vielleicht, wenn alles gut lief, für die nächsten Spiele eingeladen werden.
Und da stand ich nun vor Anpfiff in einer Reihe mit Jens Lehmann (BVB), Marco Rehmer und Sebastian Deisler (beide Hertha BSC), Oliver Neuville, Jens Nowotny, Michael Ballack und Carsten Ramelow (alle Bayer Leverkusen), Marco Bode und Frank Baumann (beide Werder Bremen) und Oliver Bierhoff (AC Mailand). Die Aufstellung des Spiels in Bremen kann ich heute noch auswendig aufsagen. Und ich sehe noch die ganzen Kameras und Fotoapparate, die auf mich gerichtet waren. Denn das war natürlich die Sensation für alle Journalisten schlechthin: Asamoah feiert mit seinem ersten Auftritt für Deutschland als erster Schwarzafrikaner Premiere.
Es folgte eine echt schwierige Situation, das Einspielen der Nationalhymne. Immer wieder – nicht erst seit der EM 2012, als die Italiener gegen uns im Halbfinale lauthals ihre Hymne schmetterten, während sich bei unserem Team nur einige Lippen bewegten – gibt es Diskussionen um die Frage: Muss die Nationalhymne mitgesungen werden, auch und gerade von
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