Dieses heiß ersehnte Glueck
mal hier gewesen?«
Bess warf einen scharfen Blick auf den schmutzigen Scheitel ihrer Schwester. »Was versprichst du dir eigentlich davon . . .«, begann sie, verstummte dann aber und sah zum Feuer zurück. Ein Blitz warf sein grelles Licht durch die Fenster.
Arme Leah, dachte Bess. Ihre Schwester war in manchem dem Vater so ähnlich — genauso stur und dickschädelig. Bess war es nicht schwergefallen, ihr Heim und die kleinen Geschwister zu verlassen; doch für Leah bedeutete die Familie alles, selbst wenn ein verrückter, cholerischer alter Mann dazugehörte. Nachdem ihre Mutter gestorben war, hatte Leah beschlossen, die Kinder so lange zu versorgen, bis das letzte aus dem Hause gegangen sein würde. Egal, was passierte oder der Alte ihr antat — sie weigerte sich, vorher zu gehen.
Und so geduldig Leah bei ihrem Vater ausharrte, so hartnäckig hielt sie an einem Traum fest. Sie träumte nicht wie Bess von erreichbaren Dingen: Nahrung, Unterkunft und Wärme — Leahs Traum würde sich niemals erfüllen.
Leah hatte sich einen gewissen Mr. Wesley Stanford in den Kopf gesetzt.
Als Leah noch ein kleines Mädchen gewesen war, war dieser Mr. Stanford einmal in ihre Hütte gekommen. Er hatte ein paar Fragen gestellt und sich für Leahs Antworten mit einem Kuß auf ihre Wange und einer goldenen Zwanzig-Dollar-Münze bedankt. Als Leah Bess von dieser Begebenheit erzählte, hatten ihre Augen wie Sterne geleuchtet. Bess hatte das Geld sofort für Kleider ausgeben wollen; doch Leah hatte getobt und geschrien, die Münze stamme von ihrem Wesley, den sie liebte und der sie ebenfalls liebte und der sie heiraten würde, wenn sie erwachsen sei.
Damals hatte Bess immer wieder an die schimmernde Goldmünze denken müssen, die ungenutzt und sinnlos in irgendeinem Versteck schlummerte. Sie wünschte sich, dieser Wesley hätte Leah statt einer Münze einen Blumenstrauß geschenkt. Sie versuchte, die Münze zu vergessen, doch zuweilen geschah es, daß Leah, das Pfluggeschirr über den Schultern, plötzlich neben ihr anhielt und ins Leere starrte.
»Woran denkst du jetzt?« pflegte Bess sie dann zu fragen, worauf Leah ihr jedesmal antwortete: »An ihn.« Bess hatte sich daraufhin mit einem Stöhnen abgewendet. Ihr brauchte man nicht zu sagen, wer damit gemeint war.
Dann war Bess von zu Hause weggelaufen, weil sie von der jahrelangen Plackerei und dem Gezänk ihres Vaters völlig zermürbt war, und hatte auf der anderen Seite des Flusses eine Stellung als Schankmädchen angenommen. Elijah Simmons hatte seine älteste Tochter enterbt und ihr verboten, die Farm oder ihre jüngeren Geschwister zu besuchen.
In den letzten zwei Jahren hatte Leah sich ein paarmal von zu Hause fortstehlen können, um ihre Schwester in der Taverne zu besuchen und die Kleider abzuholen, die Bess für sie gesammelt hatte. Die Leute in der Stadt wollten der bettelarmen Simmons-Familie helfen; doch Elijah erlaubte seiner Familie nicht, irgendwelche Almosen anzunehmen.
Gleich bei ihrem ersten Besuch in der Schenke hatte sich Leah nach Wesley Stanford erkundigt. Damals war Bess noch tief beeindruckt gewesen von den Gästen, zu denen alle wohlhabenden Plantagenbesitzer gehörten, und Wesley samt seinem Bruder Travis zählte zu den reichsten. Bess hatte Leah eine gute halbe Stunde lang vorgeschwärmt, wie gut Wesley aussähe, was für ein rücksichtsvoller Mann er sei, wie oft er die Taverne besuche — und wie glücklich Leah als Ehefrau an seiner Seite sein würde. Für Bess war das nur ein Hirngespinst gewesen, ein Zeitvertreib an langen Winterabenden, und sie hatte geglaubt, daß Leah es ebenfalls so auffassen würde.
Bis sie dann vor ein paar Monaten Leah mit einem Lachen erzählte, Wes habe sich mit einer schönen jungen Lady namens Kimberly Shaw verlobt. »Wem wirst du nun deine Liebe schenken?« hatte Bess im scherzenden Ton gefragt. Doch das Lachen war ihr sofort vergangen, als sie in das Gesicht ihrer Schwester sah. Unter den Blutergüssen und dem Schmutz war Leah weiß wie eine Wand geworden.
»Leah! Du hast doch nicht im Ernst daran gedacht, daß du so einen Mann wie Wesley zum Mann bekommst! Er ist reich, sehr reich, und solche Leute wie uns — eine sogenannte >Lady< und ein spindeldürres, schmutziges Bauernmädchen — läßt er nicht mal in seine Vorhalle. Diese Miss Shaw ist ein Mädchen von seinem Stande.«
Da war Leah von ihrem Hocker heruntergerutscht und rasch zur Tür gegangen.
Bess war ihr nachgelaufen und hatte sie beim Arm
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