DIESES MAL IST ALLES ANDERS
Stromverknappung die Produktion herunterfahren.
Nur wenige andere Regierungsführer der Moderne hätten dieselben Prioritäten gesetzt wie Ceau ş escu. Das Verhalten des rumänischen Diktators war umso verblüffender, als das Land seine Schuldenlast vermutlich hätte neu verhandeln können, wie es den meisten anderen Entwicklungsländern während der Krise der 1980er-Jahre gelungen ist. Ebenso gilt heute die Auffassung, dass ein souveräner Schuldner keine kostbaren Nationalschätze veräußern sollte, um seine Schulden zurückzuzahlen. Während Russlands Finanzkrise im Jahr 1998 erwog niemand auch nur für einen Augenblick die Forderung, Russland solle sich von Kunstgegenständen aus der Eremitage trennen, nur um westliche Gläubiger zu befriedigen. 1
Die Tatsache, dass Kreditgeber von der Rückzahlungsbereitschaft einer souveränen Nation abhängen – und nicht nur von ihrer Rückzahlungsfähigkeit –, impliziert, dass ein Staatsbankrott etwas ganz anderes ist als eine Unternehmenspleite. Bei Unternehmenspleiten oder Privatinsolvenzen haben Gläubiger klar definierte Rechte, die ihnen typischerweise ermöglichen, auf einen Großteil der Vermögenswerte des Schuldners zuzugreifen und sich ein Pfandrecht auf seine zukünftigen Einnahmen zu sichern. Bei Staatsbankrotten stehen den Gläubigern theoretisch zwar die gleichen Rechte zu, aber in der Praxis ist die Durchsetzung ihrer Ansprüche kaum möglich.
Dieses Kapitel liefert einen analytischen Rahmen, der uns ermöglicht, eingehender über die Hintergründe internationaler Schuldenmärkte nachzudenken. Unser Ziel ist nicht, eine umfassende Analyse der ausgiebigen Literatur zu liefern, sondern einen breiten Überblick über Themen und Fragestellungen. 2 Die Leser, die vorrangig daran interessiert sind, die historische Erfahrung zu verstehen, können dieses Kapitel überspringen. In mancherlei Hinsicht ist die Analyse, die dieses Kapitel bietet, jedoch wichtig für alle folgenden Kapitel. Warum in aller Welt vertrauen ausländische Gläubiger überhaupt darauf, dass die Schuldnerländer ihre Schulden zurückzahlen, vor allem nachdem sie sich in der Vergangenheit regelmäßig die Finger verbrannt haben? Warum sollten inländische Bürger in Schwellen- und Transformationsländern ihr Geld jemals einer inländischen Bank anvertrauen oder in Landeswährung anlegen, nachdem auch sie sich so oft die Finger verbrannt haben? Warum kommt es gelegentlich zu einer globalen Explosion der Inflation wie zum Beispiel zu Beginn der 1990er-Jahre, als 45 Länder eine Inflationsrate von mehr als 20 Prozent hatten – und nicht zu anderen Zeiten, wie zum Beispiel Anfang der 2000er-Jahre, als nur einige wenige Länder unter einer hohen Inflation litten?
Das sind keine einfachen Fragen und sie lösen unter Ökonomen heftige Diskussionen aus. Wir können darauf nicht einmal annähernd eine vollständige Antwort geben; die sozialen, politischen und wirtschaftlichen Probleme, die Zahlungsausfälle provozieren, sind einfach zu komplex. Wenn zukünftige Generationen an Forschern und Wissenschaftlern diese Fragen lösen, wird das Thema dieses Buches vielleicht irrelevant werden und die Welt wird endlich in ein Zeitalter eintreten, in dem wir sagen können: »Dieses Mal ist wirklich alles anders.« Die Geschichte ist jedoch voll von Beispielen, in denen Menschen zu früh den Sieg über diese heiklen Probleme erklärt haben.
Zunächst konzentrieren wir uns auf das, was vielleicht die größte »Schwäche« internationaler Kapitalmärkte ist, nämlich das Fehlen eines supernationalen rechtlichen Rahmens für die Durchsetzung von grenzüberschreitenden Schuldkontrakten. Dies ist eine abstrakte Art und Weise, um Folgendes auszudrücken: Wenn zum Beispiel die Regierung von Argentinien (ein Land, das für seine chronischen Zahlungsausfälle berühmt ist) Geld von einer US-Bank leiht und seine Schulden dann nicht zurückzahlt, hat die Gläubigerbank nur begrenzte Möglichkeiten zur unmittelbaren Durchsetzung ihrer Ansprüche. Um unsere Diskussion auf die internationalen Aspekte des Problems zu fokussieren, werden wir vorübergehend politische und ökonomische Spaltungen innerhalb des Schuldnerlandes vergessen und dieses als einen einheitlichen Akteur betrachten. Daher werden wir die Inlandsstaatschulden (Geld, das sich die Regierung von seinen eigenen Bürgern oder lokalen Banken geliehen hat) unberücksichtigt lassen.
Denjenigen, die nicht mit ökonomischer Theorie vertraut sind, mag es seltsam
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