DIESES MAL IST ALLES ANDERS
Kreditgeber durchsetzen. 8 Sollte ein Land versuchen, zur Selbstabsicherung zu greifen, würden zahlreiche der Geldanlagen, die es zu diesem Zweck tätigen müsste, Akquisitionen im Ausland beinhalten. Die Gläubiger hätten vielleicht keinen direkten Zugriff auf Vermögenswerte im Schuldnerland, aber – ausgerüstet mit den entsprechenden gesetzlichen Rechten – sie wären womöglich durchaus in der Lage, auf die Vermögenswerte des Schuldnerlandes im Ausland zuzugreifen, vor allem auf solche, die sich im Land des jeweiligen Kreditgebers befinden, aber potenziell auch in anderen Ländern mit einem hoch entwickelten Rechtssystem. Das Recht, auf Vermögenswerte im Ausland zuzugreifen, wird es einem säumigen Schuldner erschweren, sich Geld von anderen internationalen Kreditgebern zu beschaffen. Wenn ein Land seine Schulden an Bank A nicht zurückzahlt und anschließend versucht, sich Geld von Bank B zu leihen, muss sich Bank B überlegen, ob Bank A versuchen wird, ihre älteren Ansprüche durchzusetzen, wenn die Rückzahlung fällig wird. In dieser Hinsicht unterscheiden sich der Reputationsansatz und rechtliche Ansätze nicht so sehr; sie können sich sogar ganz erheblich ähneln, wenn es um politische Fragen geht, nämlich wie das internationale Finanzsystem angelegt und betrieben werden soll. Zum Beispiel kann die Einrichtung eines internationalen Insolvenzgerichts, das entsprechende nationale Gerichte ersetzt, praktisch irrelevant werden, wenn gesetzliche Rechte sowieso kaum Konsequenzen haben.
Die Betonung gesetzlicher Rechte führt neben dem Ausschluss von einer zukünftigen Kreditvergabe auch zu einer Fokussierung auf andere Kosten. Eine Regierung, die darüber nachdenkt, ihren Schuldendienst auf Auslandsschulden einzustellen, muss auch über die möglichen Störungen ihres Außenhandels nachdenken, denn sie wird gezwungen sein, Handelswege und Finanzierungen umzudirigieren, um Gläubiger zu umgehen. Das England des 14. Jahrhunderts war auf den Verkauf von Wolle an italienische Weber angewiesen und Italien war das Zentrum des Handels mit Gewürzen, an deren Import England interessiert war. Ein Zahlungsausfall bedeutete, dass der zukünftige Handel mit und über Italien erschwert würde und mit zusätzlichen Kosten verbunden wäre. Heute sind Handel und Finanzen noch enger miteinander verknüpft als damals. Zum Beispiel ist der größte Teil des Handels, sowohl innerhalb der Länder als auch zwischen den Ländern, extrem abhängig von sehr kurzfristigen Bankkrediten zur Finanzierung der Waren zwischen Transport und Warenerhalt. Wenn ein Land seine langfristigen Schulden nicht bedient, können die Gläubigerbanken erheblichen Druck auf jede Einrichtung ausüben, die versucht, dem Schuldnerland Handelskredite zu gewähren. Länder können dieses Problem bis zu einem gewissen Grad dadurch lösen, dass sie die staatlichen Devisenreserven verwenden, um zur Finanzierung ihres Handels beizutragen. Regierungen sind üblicherweise aber schlecht gerüstet, um Handelskredite auf betriebswirtschaftlicher Ebene zu überwachen, und sie tun sich schwer damit, ihre spezifischen Kompetenzen durch entsprechende Bankkompetenzen zu ersetzen. Und schließlich können Gläubiger vor ihren eigenen Gerichten Ansprüche durchsetzen, die ihnen potenziell erlauben, die Waren (oder die Vermögenswerte) des Schuldnerlandes zu beschlagnahmen, die ins Land kommen. Bulow und Rogoff argumentieren, in der Praxis würden Gläubiger und Schuldner typischerweise über einen partiellen Zahlungsausfall verhandeln, sodass diese Art Konfiszierung nur selten vorkommt.
Weder das reputationsbasierte Modell Eatons und Gersovitz’ noch der institutionelle Ansatz Bulows und Rogoffs kann den Umfang und das Ausmaß der internationalen Kreditvergabe oder die Unterschiedlichkeit der Kennzahlen erklären, die Gläubiger bei echten Zahlungsausfällen anwenden. Zur Wahrung von Wachstum und Wirtschaftsentwicklung hängt der Handel nicht nur von den gesetzlichen Konventionen ab, sondern auch von dem politischen Widerstand gegen Zollkriege sowie von einem breiteren Informations- und Expertenaustausch.
Die Reputation aufgrund der Zahlungsmoral eines Landes hat möglicherweise nur eine begrenzte Zugkraft, wenn sie im engen Sinne Eatons und Gersovitz’ interpretiert wird. Dagegen kann die Reputation eines Landes im Rahmen einer breiteren Interpretation – zum Beispiel im Sinne eines zuverlässigen Partners in internationalen Beziehungen – eine wesentlich
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