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DIESES MAL IST ALLES ANDERS

DIESES MAL IST ALLES ANDERS

Titel: DIESES MAL IST ALLES ANDERS Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: CARMEN M. REINHART , KENNETH S. ROGOFF
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behandelt. Zu einigen dieser Themen kehren wir an späterer Stelle dieses Buches noch einmal zurück, da unser umfangreicher Datensatz dazu beiträgt, einige schwierige Fragen zu klären.
    In vielerlei Hinsicht wirft die theoretische Arbeit über die Hintergründe der internationalen Kreditvergabe und Kapitalmärkte die Frage auf, warum es nicht öfter zu Zahlungsausfällen kommt. Selbst in Venezuela, mit zehn Zahlungsausfällen seit der Unabhängigkeit im Jahr 1830 der moderne Champion in Sachen Schuldenkrisen, liegen im Durchschnitt 18 Jahre zwischen einer Schuldenkrise und der nächsten. Wenn sich eine Krise an die nächste reihen würde, würde sich die »Dieses Mal ist alles anders«-Mentalität kaum manifestieren. Jedes Mal wäre es dasselbe: Kreditnehmer und Kreditgeber wären ständig nervös und misstrauisch und die Schuldenmärkte würden sich nicht signifikant weiterentwickeln – jedenfalls nicht so weit, dass spektakuläre Zusammenbrüche möglich wären. Doch die Wirtschaftstheorie sagt uns natürlich, dass selbst eine relativ fragile Ökonomie lange Zeit zurechtkommen kann, bevor die Vertrauensblase schließlich platzt, sodass ein Land erhebliche Schulden anhäufen kann, bis dieses Ereignis eintritt.
    Die Zyklen der Auslandsschuldenkrisen souveräner Staaten
    Man sollte politischen Entscheidungsträgern nicht allzu laut dafür applaudieren, dass es nach der Welle der Schuldenkrisen in den 1980er- und 1990er-Jahren zwischen 2003 und 2009 keine größeren Zahlungsausfälle bei Auslandsschulden gegeben hat. Gehäufte Zahlungsausfälle bleiben die Norm, wobei internationale Krisenwellen typischerweise viele Jahre, wenn nicht Jahrzehnte, auseinanderliegen.
    Wiederkehrende Muster
    Wir eröffnen unsere Reise durch das Panorama der Finanzkrisen mit der Diskussion von Zahlungsausfällen bei Auslandsschulden, die – wie wir gerade theoretisch analysiert haben – eintreten, wenn eine Regierung ihren Schuldendienst gegenüber ausländischen Gläubigern nicht erfüllt. (Infobox 5.1 liefert einige Hintergrundinformationen über die historische Entstehung von internationalen Schuldenmärkten.)
 
    Infobox 5.1 Die Entwicklung internationaler Schuldenmärkte in England und Spanien
    Moderne Schuldeninstitutionen, wie wir sie heute kennen, haben sich allmählich entwickelt. Das galt besonders für die Aufnahme von Schulden im Inland, bei der die Beziehung zwischen Steuern, Rückzahlungen und Macht historisch oft verwischt war. Kredite waren oft ausgesprochen intransparent, Zinsen und Fälligkeiten von Rückzahlungsraten unklar. Das Versprechen eines Königs, »zurückzuzahlen«, konnte oft genauso leicht geköpft werden wie der Kreditgeber selbst. Oft war die Kreditvergabe die reinste Nötigung. Die frühe Geschichte ist angefüllt mit Beispielen ganzer Familien, die einfach abgeschlachtet wurden, damit ihre Ländereien und andere Reichtümer beschlagnahmt werden konnten. Im Frankreich des 13. Jahrhunderts wurden die Mitglieder des Templerordens (die berühmten Kreuzritter) systematisch von den französischen Königen ins Exil verbannt, um auf ihre Reichtümer zugreifen zu können.
    Im Mittelalter setzte die Kirche Wuchergesetze durch, welche die Christen davon abhalten sollten, sich gegen Zinsen gegenseitig Geld zu leihen. Selbstverständlich war Nichtchristen, vor allem den Juden, der Geldverleih erlaubt, doch das bot den Herrschern lediglich einen sehr begrenzten Zugang zu den Vermögen ihres Landes. Um sich einen besseren Zugang zu den Reichtümern der Nation zu verschaffen, mussten sich die Kreditnehmer (gelegentlich mithilfe von Theologen) Wege zur Umgehung des Kirchengesetzes ausdenken. Internationale Schuldenmärkte wurden gelegentlich unterstützt, indem der Schuldner dazu verpflichtet wurde, seine Schulden in einer stärkeren und stabileren Währung zurückzuzahlen als der Kreditwährung – möglicherweise in einer Währung, die nicht so aggressiv abgewertet wurde. Solche Hilfsmittel sind im Grunde dasselbe wie Zinsen, allerdings galten sie oft als akzeptabel.
    Die weitaus raffiniertesten frühen Finanzmärkte entstanden Ende des 13. Jahrhunderts in den italienischen Stadtstaaten Genua, Florenz und Venedig. (Siehe zum Beispiel die hervorragenden Erörterungen von MacDonald oder Ferguson.) 1 Die frühen Kredite waren als »rückzahlbare Steuern« verkleidet, doch bald entwickelte sich das System bis zu dem Punkt, an dem Kredite an souveräne Staaten so transparent waren, dass sich ein Sekundärmarkt

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