DIESES MAL IST ALLES ANDERS
wir in diesem Kapitel illustrieren werden.
Spaniens erste Serie an Zahlungsausfällen in den Jahren 1557, 1560, 1575 und 1596 unter Philipp II. (reg. 1556–1598) wurde von Wirtschaftshistorikern ausgiebig untersucht und diskutiert – so wie auch die späteren und weitaus hässlicheren Episoden, die sich unter den Nachfolgern Philipps II. in den Jahren 1607, 1627 und 1647 ereigneten. Die spanische Erfahrung illustriert eine Reihe von Problemen, die in späteren Fällen gehäufter Zahlungsausfälle immer wieder aufgetreten sind. Spanien ist historisch zudem extrem wichtig, da es bis zu Napoleon das letzte Land war, das Europa zu beherrschen drohte.
Vor dem 16. Jahrhundert war Spanien so zersplittert und die Finanzen seiner Regionen so prekär, dass eine umfangreiche Kreditaufnahme im Ausland nicht möglich war. Mit der Entdeckung der Neuen Welt veränderte sich das. In Mexiko und Peru wurden spektakuläre Silbervorkommen entdeckt und in den 1540er-Jahren trafen wahrhaft gewaltige Mengen an Silber in Europa ein. Der massive Anstieg der Einnahmen verlieh dem spanischen König eine größere Macht und reduzierte seine Abhängigkeit von Steuereinnahmen, welche die Kooperation des Parlaments erforderten. Gleichzeitig hatte der große Zufluss von Edelmetallen, insbesondere Silber, eine gewaltige inflationäre Auswirkung auf die Preise in Europa.
Spaniens neuer Reichtum machte es seinen Monarchen relativ leicht, sich Geld über Kredite zu beschaffen, und das taten sie auch. Eine Verschuldung erschien angesichts der Möglichkeit, die Vorherrschaft über Europa zu erlangen, sinnvoll. König Philipps verschiedene Feldzüge gegen die Türken und die Holländer und seine wahrhaft katastrophale Entscheidung, die »unbesiegbare Armada« gegen England auszusenden, erforderten allesamt hohe Geldsummen. Finanziers, darunter vermögende flämische, deutsche und portugiesische Investoren, spanische Kaufleute und insbesondere italienische Banker, waren bereit, Spanien gegen ausreichende Risikoprämien beträchtliche Kredite zu gewähren. Zu jedem beliebigen Zeitpunkt schuldete die spanische Krone ihren Gläubigern typischerweise rund die Hälfte ihrer jährlichen Einnahmen, wobei die Schuldensumme gelegentlich die Einnahmen von zwei Jahren überstieg. Wie in Tabelle 6.1 in Kapitel 6 dargestellt, geriet Spanien wiederholt in Zahlungsverzug.
Abbildung 5.1 gibt den Prozentsatz aller unabhängigen Länder wieder, die zwischen 1800 und 2008 (über diesen Zeitraum ist unser Datensatz am vollständigsten) in eine Schuldenkrise gerieten oder deren Schulden restrukturiert wurden. Für die Welt als Ganzes (oder zumindest diejenigen Länder, die mehr als 90 Prozent des weltweiten BIP ausmachen und die in unserem Datensatz enthalten sind) lässt sich die relative kurze Periode zu Beginn des 21. Jahrhunderts, in dem sich relativ wenig Zahlungsausfälle ereigneten, als typisch für die »Windstille« bezeichnen, die großen globalen Finanzkrisen üblicherweise folgt. Abgesehen von solchen ruhigen Phasen gibt es lange Zeiträume, in denen sich ein hoher Prozentsatz aller Länder in einer Schuldenkrise oder einer Restrukturierungsphase befinden. Abbildung 5.1 enthüllt fünf deutliche Krisenhöhepunkte beziehungsweise Krisenzyklen.
Der erste Höhepunkt ereignete sich während der Napoleonischen Kriege. Der zweite Zyklus dauerte von den 1820er-Jahren bis zum Ende der 1840er-Jahre, als sich zeitweise fast die Hälfte aller Länder der Welt in einer Schuldenkrise befand (einschließlich Lateinamerika). Der dritte Zyklus begann Anfang der 1870er-Jahre und dauerte zwei Jahrzehnte. Der vierte begann während der Großen Depression der 1930er-Jahre und zog sich bis Anfang der 1950er-Jahre hin, als erneut fast die Hälfte aller Länder weltweit in Zahlungsverzug geriet. 5 Der letzte in der Abbildung aufgeführte Krisenzyklus umfasst die Schuldenkrisen der 1980er- und 1990er-Jahre in den Schwellen- und Transformationsländern.
Wenn man die Länder – wie in Abbildung 5.2 – nach ihrem Anteil am weltweiten BIP gewichtet, hebt sich die krisenfreie Phase nach 2002 umso deutlicher vom vorhergehenden Jahrhundert ab. Nur die zwei Jahrzehnte vor Ausbruch des Ersten Weltkriegs – die glücklichen Tage des Goldstandards – zeichneten sich durch eine Ruhe aus, die sich mit der Ruhe von 2003 und 2008 vergleichen lässt. 6 Wenn man auf diese Zeit zurückblickt, kann einem nicht entgehen, dass zwar ein oder zwei Jahrzehnte währende Pausen von
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