Dieses unendliche Verlangen
Kleider an und du kannst mich nicht dazu zwingen.” Sie blickte Tracy entschlossen an.
“Gefallen sie dir nicht?” Tracy sah sich die Kleider genau an. Zugegeben, sie wirkten ein wenig übertrieben. Sie erinnerte sich gar nicht daran, dass sie so viele Rüschen hatten. “Hm, vielleicht hast du recht. Sie sind ein wenig …”
“Mädchenhaft.” So wie Lucky das Wort aussprach, klang es wie eine Beleidigung.
“Was ist denn schlimm daran? Wie wäre es denn ohne die ganzen Schleifen und Rüschen?”
“Meine Mom war ein Mädchen.”
Tracy nickte gedankenverloren, ohne zu begreifen.
“Und sie hat meinen Pa verlassen und ihm wehgetan. Er mag keine Mädchen, nur Jungen.”
Mit leisem Räuspern betrat Zane das Zimmer. “Hey, mein Spatz. Das stimmt doch gar nicht, dass ich Jungen lieber habe als Mädchen.” Er hob seine Tochter hoch.
“Das kann ich bestätigen”, murmelte Tracy in Erinnerung an den Kuss im Stall.
“Ich habe dich genauso lieb wie Rusty”, versicherte Zane seiner Tochter zärtlich. “Und ich finde, du wirst bestimmt toll aussehen, wenn du dich für den vierten Juli fein machst.”
Lucky sah ihn unsicher an und zupfte an ihren kurzen Haaren.
“Heißt das, dass ich das Kleid anziehen muss?”
“Nein, wenn du es nicht willst, brauchst du es nicht”, beruhigte sie ihr Vater.
Tracy konnte sehen, dass das kleine Mädchen sich mit der Entscheidung herumplagte, ob sie nun ihrem Vater eine Freude machen und das Kleid anziehen oder bei ihrer ablehnenden Haltung bleiben sollte.
“Du kannst dich auch fein machen, ohne das Kleid anziehen zu müssen”, bot ihr Tracy als Ausweg an. “Was hältst du von dieser Weste? Die könntest du doch anziehen.” Die Weste war eher schlicht und hatte vor allem weder Schleifen noch Rüschen. Nur an der Vorderseite waren einige bunte Blumenstickereien.
“Die Blumen sind schön.”
“Ja, sehr schön.”
“Wenn ich das anziehe, bin ich aber kein mädchenhaftes Mädchen.” Das war eine klare Warnung.
Tracy nickte todernst. “Natürlich nicht.”
“Und du hast Mädchen auch ganz sicher lieb?”, fragte sie ihren Vater ernsthaft.
“Ganz sicher, mein Spatz.” Zane drückte sie noch einmal fest an sich und setzte sie dann wieder auf den Boden ab. “Ich lasse euch jetzt allein, damit ihr euch fertig machen könnt, aber lasst euch nicht zu viel Zeit. Wir wollen in einer Viertelstunde los.”
In Chicago hätte Tracy eine Viertelstunde allein dafür gebraucht, sich einen Lidstrich zu ziehen. Aber seit sie auf der Ranch war, hatte sie gelernt, sich beim Schminken zu beeilen. Anfangs hatte Tracy noch versucht, ihr langes Haar zu einem kunstvollen Knoten zu flechten, aber dann hatte sie es aufgegeben, weil sie deshalb immer eine halbe Stunde früher aufstehen musste. Schließlich hatte sie sich für einen simplen Pferdeschwanz entschieden.
Lucky trug schon eine saubere Jeans und ein frisches rotes T-Shirt, sodass Tracy ihr nur noch die Weste anziehen musste. Dann nahm sie das Mädchen mit in ihr Badezimmer, damit sie sich im Spiegel bewundern konnte. Beim Anblick der vielen Tuben und Fläschchen mit Parfüm und Körpercremes konnte sich Lucky kaum zwischen ehrfürchtigem Staunen und reiner Ablehnung entscheiden. Tracy sagte nichts, sondern richtete nur ihren Pferdeschwanz mit einer roten Haarspange.
“Meine Haare sind viel zu kurz für einen Pferdeschwanz”, bemerkte Lucky, aber Tracy war sich nicht sicher, wie Lucky das meinte. Allerdings glaubte sie, eine Spur von Sehnsucht in ihrer Stimme mitschwingen zu hören.
“Ja, dafür ist es zu kurz, aber ich habe noch einige wirklich coole Haarspangen, die du tragen könntest.” Sie zeigte dem Mädchen ihre Auswahl an Spangen und Haarbändern.
“Kannst du mir dabei helfen?”, fragte Lucky ungewöhnlich schüchtern.
“Aber sicher.”
Sie setzte Lucky auf die Anrichte, bürstete als Erstes ihr Haar durch, bevor sie an jeder Seite ihres Kopfes eine bunte Spange befestigte. “Na, was hältst du davon?”
Lucky betrachtete sich verwundert im Spiegel, aber ihre Augen leuchteten. “Sieht ganz in Ordnung aus”, antwortete sie bewusst zurückhaltend. Plötzlich griff sie nach Tracy und drückte sie fest an sich.
Es war das erste Mal, dass das kleine Mädchen körperlichen Kontakt zu ihr aufnahm. Tracy spürte schon, wie ihre Augen sich mit Tränen füllten, als das Mädchen sie losließ und von der Anrichte hopste. “Danke”, rief sie und schon war sie verschwunden.
Fünf Minuten später gesellte
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