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Diesseits vom Paradies

Diesseits vom Paradies

Titel: Diesseits vom Paradies Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: F. Scott Fitzgerald
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»Washington stammte aus sehr guter Familie – äh, ziemlich guter –, glaub ich.«
    Amory versuchte sehr geschickt, sich dadurch zu retten, dass er von nun an absichtlich die dümmsten Fehler machte. Zwei Jahre zuvor hatte er begonnen, eine Geschichte der Vereinigten Staaten zu schreiben, die zwar nur bis zu den Unabhängigkeitskriegen reichte, von seiner Mutter aber als absolut hinreißend bezeichnet wurde.
    Seine größte Schwäche lag im Sport, doch als er begriffen hatte, dass dies der Prüfstein für Macht und Ansehen in der Schule war, bemühte er sich heftig und hartnäckig um überragende Leistungen in den Wintersportarten; tapfer lief er – trotz aller Bemühungen mit schmerzenden und verkrampften Knöcheln – jeden Nachmittag Schlittschuh auf der Lorelei-Eisbahn und fragte sich, wann er wohl einen [20] Hockeyschläger so halten könnte, dass dieser nicht auf unerklärliche Weise zwischen seine Schlittschuhe geriet.
    Die Einladung zu Miss Myra St. Claires Schlittenpartie verbrachte den Vormittag in seiner Manteltasche, wo sie einen heftigen Flirt mit einem angestaubten Stück Erdnusskrokant anzettelte. Am Nachmittag beförderte er sie mit einem Seufzer ans Tageslicht und verfasste nach reiflicher Überlegung und einem ersten Entwurf auf dem Einband von Collar und Daniels Latein für Anfänger eine Antwort:
    Meine liebe Miss St. Claire,
    Ihre wirklich reizende Abendeinladung für nächsten Donnerstagabend hat mich heute Morgen aufs höchste erfreut.
    Es wird mich entzücken und mir ein großes Vergnügen sein, Ihnen am nächsten Donnerstagabend meine Aufwartung zu machen.
    Ihr sehr ergebener
    Amory Blaine
    Also schlenderte er am Donnerstag gedankenverloren über die glatten, vom Schnee geräumten Gehwege zu Myras Haus, wo er eine halbe Stunde nach fünf Uhr eintraf, eine Verspätung, von der er annahm, dass seine Mutter sie gutgeheißen hätte. Mit lässig halbgeschlossenen Augen wartete er auf der Treppe vor dem Eingang und plante sorgfältig seinen Auftritt. Er würde gemessenen Schrittes durch die Halle auf Mrs. St. Claire zugehen und genau im richtigen Tonfall sagen:
    »Meine liebe Mrs. St. Claire, es tut mir schrecklich leid, [21] dass ich mich verspätet habe, aber mein Dienstmädchen« – hier hielt er inne, weil er merkte, dass es sich um ein Zitat handelte –, »aber mein Onkel und ich hatten noch einen Besuch bei einem Freund zu machen – ja, ganz recht, ich habe Ihre entzückende Tochter in der Tanzstunde kennengelernt.«
    Darauf würde er all den steifen kleinen Mädchen mit einer leichten, etwas befremdlichen Verbeugung die Hand geben und den Jungen zunicken, die in kleinen starren Gruppen wie angewurzelt beieinanderstehen würden, um sich wechselseitig zu beschützen.
    Ein Butler (einer von dreien in ganz Minneapolis) öffnete schwungvoll die Tür. Amory trat ein und legte Mütze und Mantel ab. Leicht überrascht stellte er fest, dass aus dem anliegenden Raum kein schrilles Stimmengewirr zu hören war, und schloss daraus, dass es wohl sehr formell zuginge. Das fand seine Zustimmung – wie auch der Butler seine Zustimmung fand.
    »Miss Myra«, sagte er.
    Zu seiner Überraschung setzte der Butler ein entsetzliches Grinsen auf.
    »Na klar«, verkündete er, »sie is’ da.« Er war sich nicht bewusst, dass sein missglückter Versuch, Cockney zu sprechen, den ersten guten Eindruck zunichte machte. Amory musterte ihn kalt.
    »Aber«, fuhr der Butler fort und hob unnötigerweise die Stimme, »sie is’ die Einzige, wo hier is’. Die Gäste sind schon weg.«
    Amory schnappte vor Schreck nach Luft.
    »Was?«
    [22] »Sie wartet nur noch auf Amory Blaine. Das sin’ Sie doch, oder? Ihre Mutter hat gesagt, wenn Sie bis halb sechs noch auftauchen, soll’n Sie beide mit dem Packard nachkomm’n.«
    Amorys Verzweiflung erstarrte mit Myras Erscheinen: Sie war bis zu den Ohren in einen Kamelhaarmantel verpackt und schmollte ganz offensichtlich; nur mit Mühe brachte sie einen freundlichen Ton heraus.
    »’n Abend, Amory.«
    »’n Abend, Myra.« Seine Lebensgeister schienen ihn völlig verlassen zu haben.
    »Na – immerhin hast du hergefunden.«
    »Hör zu, ich will’s dir erklären. Du hast wohl nichts von dem Autounfall gehört«, flunkerte er.
    Myras Augen öffneten sich weit.
    »Was für ein Autounfall?«
    »Na der«, fuhr er in seiner Verzweiflung fort, »von mei’m Onkel un’ meiner Tante und mir.«
    »Ist jemand umgekommen?«
    Amory wartete einen Moment und nickte dann.
    »Dein Onkel?«

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