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Digitale Demenz: Wie wir uns und unsere Kinder um den Verstand bringen (German Edition)

Digitale Demenz: Wie wir uns und unsere Kinder um den Verstand bringen (German Edition)

Titel: Digitale Demenz: Wie wir uns und unsere Kinder um den Verstand bringen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manfred Spitzer
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Gruppen, jeweils zu Beginn der Studie (weiße Säulen) und nach vier Monaten (schwarze Säulen) – erfragt bei den zuständigen Lehrern mittels standardisierter Instrumente. Die Zunahme in der Gruppe der Kinder, die ihre Spielkonsole gleich zu Beginn der Studie erhalten hatten, war signifikant. [213]  
    Beim Lesen ist das anders. Gelegentlich lesen Kinder durchaus in der Freizeit. Und Lesen lernt man eben nur durch Lesen. Wird die dafür zur Verfügung stehende Zeit durch Videospiele eingeschränkt, dann ergeben sich zwangsläufig schlechtere Leistungen. Beim Lesen gibt es also etwas zu verdrängen, bei der Mathematik nicht.
    Das Erstaunliche an der Studie ist, dass trotz ihrer kurzen Dauer von nur vier Monaten und trotz der Tatsache, dass in der Kontrollgruppe durchaus auch Videospiele gespielt wurden (nur nicht so oft), klare negative Auswirkungen einer geschenkten Spielkonsole auf die Schulleistungen nachgewiesen werden konnten. Eine sogenannte Pfadanalyse konnte zudem zeigen, dass die Effekte durch die Dauer des täglichen Videospiels vermittelt und damit dosisabhängig waren. Anders ausgedrückt: Viel schadet viel.
    Die Ergebnisse der Studie lassen natürlich die Frage aufkommen, ob man solche Studien überhaupt durchführen darf: Darf man Kindern eine Playstation schenken, um herauszufinden, wie sehr diese ihnen schadet? Ich denke, man darf, und zwar dann, wenn niemandem zusätzlicher Schaden zugefügt wird. Die Eltern wollten ihrem Kind ohnehin eine Playstation schenken und wurden nach der Studie über deren Gefahren aufgeklärt. Diese waren vorher zwar vermutet, jedoch ganz offensichtlich in ihrem Ausmaß unterschätzt worden. Hätten die Eltern sonst mit dem Gedanken gespielt, ihrem Kind eine Playstation zu schenken? Da die Erkenntnisse aus der Studie potenziell sehr vielen Kindern zugutekommen und weil sie wichtig sind für die Beurteilung einer Aktivität, die von Millionen von Kindern in der westlichen Welt täglich stundenlang ausgeübt wird, liegt das Verhältnis von Nutzen und Risiko dieser Studie in einem vergleichsweise sehr günstigen Bereich.
    Im Hinblick auf die Bedeutung der Ergebnisse für die weitere schulische Entwicklung der Kinder muss hervorgehoben werden, dass die Stärke des Effekts bei der Schriftsprache am größten war, also in Hinblick auf den Erwerb einer Fähigkeit, die man als die Kulturtechnik schlechthin bezeichnen könnte. Wer mit der Schriftsprache Probleme hat, bekommt sie in anderen Fächern später auch [214]   , deshalb sind die Auswirkungen einer Spielkonsole besonders tückisch. Es ist wie mit dem Baby-Fernsehen oder dem Laptop im Kindergarten: Oberflächlich betrachtet, scheint das den Kindern Spaß zu machen und sie zu »stimulieren«. Bei genauer Betrachtung zeigt sich jedoch, dass die Kinder mit diesen Medien eines genau nicht tun können: lernen und – im wahrsten Sinnen des Wortes – sich bilden.

Sozialkontakte und Bindung zu Eltern und Freunden
    Viele Eltern (und mit ihnen unser Kulturstaatsminister in seiner Laudatio auf das Ballerspiel Crysis 2 ) halten Computerspiele für einen Teil der Jugendkultur und stellen ihren Kindern daher aus Angst vor sozialer Ausgrenzung die entsprechende Hard- und Software zur Verfügung. Es ist schon eigenartig: Zu Weihnachten, dem Fest der Liebe, verschenken Millionen von Eltern Killerspiele, um die sozialen Fähigkeiten ihrer Kinder zu fördern und der möglichen Vereinsamung entgegenzuwirken. Das Mindeste zum Weihnachtsfest ist heute für einen männlichen Grundschüler eine Spielkonsole oder ein iPod touch. »Weil er sonst die Kontakte zu Gleichaltrigen und Freunden verliert und ein Außenseiter werden könnte«, wird dies landauf, landab von den Eltern, die das eigentlich nicht wollen, frustriert kommentiert. Ist das wirklich so?
    Eindeutig und definitiv: Nein!, lautet die Antwort einer Studie, die genau dieser Frage nachging: In welcher Weise verändert die zunehmende Nutzung von Bildschirmmedien die Qualität der Beziehungen zu Familie und Freunden? [215]   Schon lange wurde anhand von vorliegenden Daten vermutet, dass Bildschirmmedien die Entfremdung zwischen Eltern und Kindern vorantreiben sowie soziale Fähigkeiten und Beziehungen beeinträchtigen. Anhand der vorliegenden Daten aus zwei sehr großen Studien zum Langzeitverlauf der Persönlichkeitsentwicklung konnte weitere Klarheit geschaffen werden. Bei der einen Studie, die bereits in Kapitel 6 erwähnt wurde, steht eine neuseeländische Kohorte von 976

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