Digitale Demenz: Wie wir uns und unsere Kinder um den Verstand bringen (German Edition)
Konsolenversion. Dies allein zeigt schon, dass die Grenzen hier fließend sind und dass man Erkenntnisse zu einem dieser Medien auf das jeweils andere übertragen kann. Da es Computer schon länger gibt als Spielkonsolen, liegen auch zu Computerspielen mehr Erkenntnisse vor als zu Konsolenspielen.
Schlechte Noten verschenken
Um die Frage zu beantworten, ob Computerspiele nun die Schulleistungen männlicher Schüler verschlechtern oder ob sie nicht schaden und die Schüler nur zur Spielkonsole greifen, um sich abzulenken (Selektionseffekt), muss man Untersuchungen im Längsschnitt durchführen, und diese sind sehr arbeitsaufwendig. Aber sie wurden glücklicherweise dennoch gemacht.
Mittels einer Zeitungsannonce wandte man sich an die Eltern männlicher Grundschüler der Klassen 1 bis 3 im Alter von sechs bis neun Jahren. Falls deren Jungen noch keine Spielkonsole besaßen, sich die Eltern aber mit dem Gedanken trugen, ihnen eine zu schenken, wurden sie gebeten, sich zu melden. Man sagte den Eltern, dass ihr Junge für die Teilnahme an einer Studie zur kindlichen Entwicklung eine Sony Playstation II (mitsamt drei für Kinder dieses Alters zugelassenen Spielen) geschenkt bekommen würde.
Um Effekte bereits vorhandener Verhaltensauffälligkeiten oder Schulprobleme auszuschließen, wurden alle Schüler vor ihrer Teilnahme daraufhin untersucht. Das Experiment startete zu Beginn des neuen Schuljahrs im Herbst. Weiterhin wurden Intelligenz, Schulleistungen und Sozialverhalten getestet, und die Kinder wurden anschließend nach dem Zufallsprinzip in zwei Gruppen eingeteilt: Die einen bekamen ihre Playstation sofort, die anderen hingegen mussten vier Monate warten.
Zu diesem Zeitpunkt, vier Monate nach Beginn des Schuljahrs, wurden alle Kinder nochmals untersucht. Wie schon bei der Eingangsuntersuchung mussten auch jetzt die Eltern und die beteiligten Lehrer Fragebögen zum Verhalten der Kinder in der Schule und zu Hause ausfüllen. Alle Jungen, die eine Konsole erhalten hatten, spielten vier Monate später noch damit (etwa vierzig Minuten täglich), und die meisten (90 Prozent) hatten zusätzliche Spiele erworben; mehr als die Hälfte hatte mindestens ein zusätzliches Spiel auf der Konsole, das für ihr Alter noch nicht vorgesehen war. Von den Jungen der Kontrollgruppe hatte keiner eine Konsole anderweitig erworben, und sie verbrachten durchschnittlich weniger als zehn Minuten täglich mit Videospielen, z.B. bei Freunden.
Bei der mit Hausaufgaben verbrachten Zeit war es umgekehrt: Diese lag in der Kontrollgruppe bei knapp 32 Minuten, in der Playstation-Gruppe dagegen bei nur etwa 18 Minuten und war damit signifikant geringer. Das geringere Interesse an der Schule wirkte sich auf die Leistungen im Lesen und Schreiben aus: Die Kinder mit Playstation waren in beiden Bereichen signifikant schlechter (siehe Grafik 8.1 und 8.2).
8.1 Leistungen der Schüler im Lesetest, jeweils zu Beginn der Studie (weiße Säulen) und nach vier Monaten (schwarze Säulen) . Zu erwarten ist eine Zunahme, da während des Schuljahrs das Lesen ja in allen Klassenstufen geübt wird. Dies war in der Kontrollgruppe (die Kinder erhielten die Konsole erst zum Ende der Studie) auch der Fall; in der Gruppe der Kinder, die ihre Spielkonsole gleich zu Beginn der Studie erhalten hatten, kam es jedoch nicht zu einer Steigerung der Leistungen im Lesen. [211]
8.2 Leistungen der Schüler in einem Test zur Schriftsprache, jeweils zu Beginn der Studie (weiße Säulen) und nach vier Monaten (schwarze Säulen) . Die zu erwartende Zunahme durch das Üben während des Schuljahrs in allen Klassenstufen war in der Kontrollgruppe (die Kinder erhielten die Konsole erst zum Ende der Studie) klar erkennbar, in der Gruppe der Kinder mit Spielkonsole hingegen nur ganz gering. [212]
In Anbetracht dieser Befunde wundert es nicht, dass die befragten Lehrer bei den Kindern mit Spielkonsole über signifikant mehr Schulprobleme berichteten; weiteren Analysen zufolge waren es in erster Linie Lernprobleme. Keine negativen Auswirkungen (aber auch keine positiven!) zeigte das Geschenk einer Spielkonsole auf die schulischen Leistungen in Mathematik. Warum? Die einfachste Erklärung ist wohl, dass Schüler der Grundschule sich in ihrer Freizeit ohnehin praktisch nicht mit Mathematik beschäftigen. Daher kann die mit dem Spielen verbrachte Zeit auch nicht für die Beschäftigung mit Mathematik in der Freizeit verloren sein (siehe Grafik 8.3).
8.3 Schulprobleme in beiden
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