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Digitale Demenz: Wie wir uns und unsere Kinder um den Verstand bringen (German Edition)

Digitale Demenz: Wie wir uns und unsere Kinder um den Verstand bringen (German Edition)

Titel: Digitale Demenz: Wie wir uns und unsere Kinder um den Verstand bringen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manfred Spitzer
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Vereinsamung (!) und eine geringere Chance auf Bildung.
    Wenn Sie also wirklich wollen, dass Ihr Kind in der Schule schlechtere Leistungen erbringt und sich künftig weniger um Sie als auch um seine Freunde kümmert – aber nur wenn Sie das wirklich wollen  –, dann schenken Sie ihm doch eine Spielkonsole! Sie leisten damit zugleich einen Beitrag zu mehr Gewalt in der realen Welt.

Das Leben digitaler Eingeborener
    Der Begriff Digital Native leitet sich von der Bezeichnung Native Speaker (Muttersprachler) ab und benennt die Tatsache, dass man die Muttersprache anders gelernt hat und auch anders beherrscht als eine Fremdsprache. Man denkt und träumt in der Muttersprache und hat die mit ihr einhergehende Weltsicht ohne jede Kritik übernommen; man ist selbst Teil der entsprechenden Kultur und – auch das gehört dazu – wird den entsprechenden Akzent (beim Sprechen und sinngemäß beim Denken) nie mehr los. Weil jeder Mensch in einer Sprachgemeinschaft aufwächst, hat jeder eine Muttersprache. Digital Native meint entsprechend: Der digitale Eingeborene hat seine Heimat in der digitalen Welt der modernen Informationstechnik. »Die Existenz einer Umgebung mit überall zugänglichen digitalen und internetbezogenen Technologien führt, kombiniert mit einem aktiven Engagement bei diesen neuen Technologien, zu einem scharfen Bruch zwischen den Generationen«, beschreibt der Wissenschaftler Chris Jones die dem Begriff Digital Native zugrundeliegende Idee. [232]  
    Um sich ein Bild davon zu machen, was das praktisch heißt, sei eine Übersicht mit dem Titel Understanding the Digital Natives aus dem Jahr 2008 zitiert, wo sich die folgenden Fakten finden:
    Der typische 21-Jährige hat im Durchschnitt
     
250 000 E-Mails oder Kurznachrichten (SMS) gesendet bzw. empfangen,
10 000 Stunden mit seinem Handy verbracht,
5000 Stunden Video Games gespielt und
3500 Stunden in sozialen Netzwerken (z.B. Facebook) verbracht. [233]  
    Der typische digitale Ureinwohner ist entweder dauernd oder zumindest meistens online; er steht permanent mit Freunden und Verwandten per E-Mail, Kurznachrichten sowie über soziale Netzwerke in Verbindung, hört mehrere Stunden täglich Musik und tut all dies auch dann, wenn er z.B. abends vor dem Fernseher sitzt oder ein Videospiel spielt. Er wird vom Handy geweckt, überprüft noch vor dem Aufstehen eingegangene Nachrichten, bleibt den ganzen Tag online, versendet gegen 23 Uhr die letzte SMS und wird von Musik vom iPod oder Handy in den Schlaf gesäuselt.
    Was bedeutet diese Lebensweise längerfristig für die Menschen? Ist die digitale Revolution, wie sie auch zuweilen genannt wird, ein Segen oder ein Fluch? Unter Berücksichtigung der Gehirnforschung und insbesondere der Erkenntnisse zur Neuroplastizität und zur Entwicklung des Gehirns, wie sie in den vorhergehenden Kapiteln dargestellt wurden, kann man mit Sicherheit Folgendes sagen: Eines kann das Leben als Digital Native definitiv nicht haben: keine Auswirkungen.

Oberflächlichkeit statt Hermeneutik
    Halten wir fest: Die vielfach gepriesenen digitalen Fähigkeiten der jungen Generation lösen sich bei näherem Hinsehen in Luft auf. Dies betrifft insbesondere ihren vermeintlich überlegenen Umgang mit Informationen. Wer sich über einen Sachverhalt informiert, der durchläuft das, was man seit etwa hundertfünfzig Jahren den hermeneutischen Zirkel nennt. Er erkennt das Ganze durch die Einzelheiten und die Einzelheiten durch das Ganze; er geht dem Hinweis einer guten Quelle nach, und wenn er nicht weiterkommt, geht er zur guten Quelle zurück, weil eine gute Quelle eben viele Hinweise enthält. Die Erschließung eines neuen Sachverhaltes geht gar nicht anders als mit einem solchen kreisenden (oder – für die Optimisten unter den Hermeneutikern – nach oben spiraligen) Vorgehen. Diesen hermeneutischen Zirkel der Erkenntnis durchlaufen Digital Natives nicht: Sie klicken für eine Weile wahllos herum und kommen nie zu einer guten Quelle zurück; sie suchen horizontal (sprich: oberflächlich), nicht vertikal (gehen nicht in die Tiefe).
    Die Aneignung von wirklichem Wissen erfolgt weder mittels Surfen oder Skimmen, sondern durch die aktive Auseinandersetzung, das geistige Hin-und-her-Wälzen und Immer-wieder-Durchkneten, Infragestellen, Analysieren und Neusynthetisieren von Inhalten. Das ist etwas ganz anderes als das Übertragen von Bits und Bytes von einem Speichermedium zum anderen. Wir hatten gesehen, dass die Speicherung von

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