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Digitale Demenz: Wie wir uns und unsere Kinder um den Verstand bringen (German Edition)

Digitale Demenz: Wie wir uns und unsere Kinder um den Verstand bringen (German Edition)

Titel: Digitale Demenz: Wie wir uns und unsere Kinder um den Verstand bringen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manfred Spitzer
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ließ, verhungerte. Wer bei der Jagd auch nur einen Moment unaufmerksam war, verhungerte ebenfalls oder starb schon vorher gewaltsam. Und wer ein Problem hatte und um Rat nachfragen wollte, musste sich auf den Weg machen und einen älteren Menschen aufsuchen, was planvoll zu geschehen hatte, weil es nicht so viele gab und die wenigen auch sehr beschäftigt waren (vor allem mit dem Erteilen von Ratschlägen).
    Vergleichen wir diese Situation mit dem heutigen Leben: Wer Hunger hat, öffnet den Kühlschrank; wer friert, dreht die Heizung auf, und wer etwas wissen will, der googelt. In den ersten beiden Fällen ist kein planvolles Aneinanderreihen unterschiedlicher Handlungen bei gleichzeitiger Unterdrückung von Reaktionen auf Ablenkreize notwendig. Im dritten Fall wäre es notwendig, findet jedoch faktisch nicht statt: Wie in Kapitel 10 gesehen, erfolgt Informationssuche bei Jugendlichen meist nicht planvoll, sondern durch wahlloses Herumklicken.
    Beim Übergang vom Jäger und Sammler zum Bauern mit gleichzeitiger Bildung größerer Gemeinschaften und mit der damit einhergehenden größeren Existenzsicherheit entfielen dann zahlreiche Erfahrungen, die man zum Entwickeln der Selbststeuerung braucht. Zugleich wurde diese Fähigkeit wichtiger denn je, weil ein Bauer über weit größere Zeiträume planen musste als ein Jäger und Sammler.
    Man stelle sich einmal vor, die Erfindung der Schrift hätte dazu geführt, dass die Menschen nicht mehr miteinander sprechen, sondern nur noch mittels schriftlicher Nachrichten miteinander kommunizieren. Das hätte verheerende Auswirkungen auf die Sprachentwicklung der folgenden Generation und damit aller weiteren Generationen gehabt. Wer nicht sprechen gelernt hat, der kann auch nicht lesen und schreiben. So ähnlich kann man sich die Auswirkungen einer gut organisierten und sämtliche Bedürfnisse von Menschen befriedigenden Gesellschaft auf die Entwicklung von Selbstkontrolle vorstellen: Plötzlich fallen alle Gelegenheiten weg, bei denen man sie üben könnte. Funktionierende Kulturen haben daher das Spielen erfunden und kultiviert. Im Spiel wird vieles geübt, was auch sonst geübt wird – hören und sprechen, aufeinander eingehen und miteinander etwas tun. Für eine Fähigkeit ist das Spielen allerdings besonders wichtig, weil sie letztlich nur im Spiel geübt wird: die Selbstkontrolle. Nicht umsonst gibt es Spiele und Spielzeuge (also Spielkultur ), seitdem es größere Gesellschaften gibt.
    Betrachten wir beispielsweise die Aktivitäten, die seit langer Zeit in Kindergärten ausgeübt werden. Man singt gemeinsam ein Lied. Dabei singt nicht jeder, was ihm gerade einfällt, sondern man kontrolliert das eigene Tun und stimmt es mit den anderen ab. Man singt ein Lied und verändert währenddessen den Text (Drei Chinesen mit dem Kontrabass). Hier wird also eine Instruktion (alle singen auf a) im Gedächtnis aufrechterhalten. Dieser Plan wird unmittelbar umgesetzt, was nur gelingt, wenn der automatische Output aus den Sprachzentren noch einmal im Frontalhirn moduliert und dann erst nach draußen geschickt wird. Diese Kontrolle ist flexibel (und jetzt alle auf i); die Regel, der jeweils zu folgen ist, wird immer wieder geändert, und so wird kognitive Flexibilität trainiert. Bewegungsspiele (Alle Vögel fliegen hoch) haben die gleiche Funktion des Einübens von Selbstkontrolle, Laufspiele mit bestimmten Regeln ebenso. Bei Mannschaftsspielen muss man viele Regeln befolgen, jeweils die richtige. Kindergarten – das ist aus entwicklungsneurobiologischer Sicht Frontalhirntraining pur! Und bei der geistigen Frontalhirnleistung, um die es dabei geht, handelt es sich nicht etwa um Sprechen oder Rechnen, sondern um Willenskraft.
    Auch das planvolle Gestalten ganzer Handlungsabläufe dient nichts anderem als dem Training von Selbstkontrolle. Eine Gruppe baut etwas, ein Haus aus Tischen und Stühlen, oder sie buddelt draußen eine kleine Höhle. Eine andere Gruppe ist drinnen mit dem Kuchenbacken beschäftigt. Niemand schleckt am Teig, sondern alle arbeiten auf das gemeinsame Ziel hin und beherrschen unmittelbare Bedürfnisse nach Süßem. Steht der Kuchen erst einmal dampfend auf dem Tisch, wird erst noch ein Lied gesungen, und dann geht es schließlich ans Essen. Besser kann man Selbstkontrolle gar nicht trainieren.
    Studien zeigen, dass sich die Selbstkontrolle in der Kindheit und Jugend sehr effektiv trainieren lässt, wenn man im Kindergarten und der Schule darauf achtet,

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