Digitale Demenz: Wie wir uns und unsere Kinder um den Verstand bringen (German Edition)
haben dieses Problem im vorliegenden Buch schon öfter diskutiert. Handelt es sich um einen Selektionseffekt (wer groß ist, spielt eher Basketball), d.h., mögen bestimmte Menschen lieber in der Breite möglichst viele Informationen aufnehmen und sich dadurch gerne ablenken lassen? In diesem Fall würden sie eine mindere Leistung bewusst oder unbewusst in Kauf nehmen, um eben ihren kognitiven Stil, und sei er noch so ineffektiv, auszuleben. Oder handelt es sich um einen Trainingseffekt, d.h., führt chronisches heftiges Multitasking zu einer Veränderung des kognitiven Stils? Dies würde bedeuten, dass die gemessenen Effekte gelernt sind. Da andere Studien bereits gezeigt haben, dass Aufmerksamkeitsprozesse durch Lernen geändert werden können und dass chronische intensive Mediennutzung zu Störungen der Aufmerksamkeit führen kann, ist diese Erklärung aus meiner Sicht wahrscheinlicher. Multitasker würden sich in diesem Fall Oberflächlichkeit und Ineffektivität aktiv antrainieren. Die Meinung, man könne eben gut zwischen Aufgaben hin- und herspringen und brauche das für effektive Informationsverarbeitung, wird durch die vorliegenden Ergebnisse auf jeden Fall als Selbsttäuschung entlarvt. Wie auch immer: Multitasking ist nichts, wozu man die nächste Generation ermuntern oder was man fördern sollte. Konzentrieren wir uns lieber ganz auf das Wesentliche!
11. Selbstkontrolle versus Stress
Programmieren oder programmiert werden lautet der Titel eines Buches über unser Verhältnis zur Informationstechnik. Der Autor Douglas Rushkoff thematisiert darin den vielfältig verschleierten Einfluss der digitalen Medien auf unsere Selbstkontrolle. Was genau ist damit gemeint? Und warum ist es so wichtig? In der Folge möchte ich kurz aufzeigen, was Selbstkontrolle ist, wie wir sie ausüben, warum sie für den Menschen so wichtig ist, was geschieht, wenn man sie verliert, und warum digitale Medien zu ihrem Verlust beitragen.
Sich im Griff haben: Arbeitsgedächtnis, Inhibition und Flexibilität
Jeder kennt die Situation: Es ist Sommer, man läuft an einem Eiscafé vorbei, und ein kühles Pfirsich Melba lacht einen an. Man hat zwar weder Hunger noch Durst, aber so ein schönes Eis – ja, das wäre jetzt genau das Richtige. Andererseits weiß man um seinen nicht gerade attraktiven Bauchumfang und seinen Cholesterinspiegel; ebenso ist einem die Notwendigkeit einer Diät bewusst, um möglichst bis ins hohe Alter gesund zu bleiben. Man wird daher Willenskraft aufwenden, um der Versuchung zu widerstehen. Dies bedeutet, dass man nicht das tut, was man jetzt gerne spontan täte, weil man ein anderes langfristiges Ziel vor Augen hat.
Da läuft plötzlich eine Freundin vorbei und fragt, ob wir uns nicht bei einem Eis etwas unterhalten sollten. Und weil Sie wissen, dass Sozialkontakte für Glück und langes Leben wichtiger sind als eine gute Figur, [281] willigen Sie ein und genießen Ihr Eis.
In diesem Beispiel zeigen sich die drei Facetten der Selbstkontrolle:
Ich führe mir ein langfristiges Ziel bewusst vor Augen.
Ich verzichte daher auf etwas, was ich jetzt gerne täte.
Ich bin flexibel und kann die Regeln ändern, wenn es sinnvoll ist.
Diese drei Facetten – (1) Arbeitsgedächtnis, (2) Inhibition und (3) Flexibilität – sind im Grunde nur drei Seiten der gleichen Sache, denn wenn ich kein Ziel vor Augen habe, besteht auch keine Notwendigkeit, etwas, das ich gerne tun würde, zu unterlassen. Nur wenn ich mich auf eine Sache konzentriere, lassen mich Ablenkungen unbeirrt; dann ist es mir möglich, diese eine Sache auch gut und rasch zu erledigen. Und wenn ich die Regeln im Leben nicht dauernd der Umgebung anpassen kann, werde ich von irgendwelchen Prinzipien geritten und habe mich nicht selbst im Griff.
Schauen Sie sich bitte noch einmal die Abbildung 7.5 im siebten Kapitel an. Sie stellt auf der rechten Seite schematisch die Vorgänge im erwachsenen Gehirn dar, die bei erfolgreicher Selbstkontrolle ablaufen: Reflexartige Verhaltensweisen (»Süßes essen«, »Eis essen«) werden gehemmt, und es werden stattdessen langfristige Ziele – Schlankheit, Schönheit, Gesundheit – verfolgt. Es geht bei der Selbstkontrolle immer um die Hemmung von reflexartigem Verhalten. Das Eis nicht essen. Auf die Ablenkung nicht achten. Seinen Ärger nicht rauslassen. Stattdessen behalten wir jeweils die Selbstbeherrschung – gegenüber äußeren Reizen oder inneren Affekten. Dieses Nein zu äußeren oder inneren Reizen
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