Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Digitale Demenz: Wie wir uns und unsere Kinder um den Verstand bringen (German Edition)

Digitale Demenz: Wie wir uns und unsere Kinder um den Verstand bringen (German Edition)

Titel: Digitale Demenz: Wie wir uns und unsere Kinder um den Verstand bringen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manfred Spitzer
Vom Netzwerk:
Einkommen, Kriminalität etc. haben. Dieser ist jeweils etwa so groß wie der Einfluss der Selbstkontrolle und lässt sich von diesem statistisch abgrenzen. Auch in der Studie zu den ungünstigen Auswirkungen von Medienkonsum in der Kindheit auf den Bildungserfolg im Erwachsenenalter ließ sich zeigen, dass der sozioökonomische Status (in Deutschland schauen beispielsweise die Kinder von Hartz-IV-Empfängern täglich etwa eine halbe Stunde mehr fern) nicht ausreicht, um den Effekt zu erklären. Es geht also um einen eigenen systematischen Effekt der Selbstkontrolle (sich im Griff haben) auf das Leben der Erwachsenen. Und obwohl jeder um die Relation von Intelligenz und seltenem Auftreten von Armut weiß, befindet sich die Selbstkontrolle noch kaum auf dem »Radarschirm« der wesentlichen lebensbestimmenden Faktoren. Deswegen sollte eigentlich ein ganzes Buch über diesen Sachverhalt geschrieben werden.
    Weitere Studien legen nahe, dass eine gute Selbstkontrolle sogar das Leben verlängern kann. Zu den besten dieser Studien gehört eine Untersuchung, bei der schottische Wissenschaftler sehr viel Geduld bewiesen. Im Jahr 1950 untersuchten sie die Persönlichkeitseigenschaften von etwa 1200 Kindern im Alter von vierzehn Jahren – und warteten dann 55 Jahre. [284]   Und dann ermittelten sie, wer wann gestorben war und wer noch lebte. Hierbei zeigte sich ein sehr deutlicher Einfluss der Gewissenhaftigkeit einer Person auf deren Überleben: Die nicht Gewissenhaften waren mit doppelter Wahrscheinlichkeit schon tot. Wer mit sich und der Welt gewissenhaft umgeht, wer sich im Griff hat und weiß, wo es langgeht, lebt also nicht nur besser, gesünder und glücklicher, er lebt auch deutlich länger.
    Ein wesentlicher Grund für diesen Effekt wurde in einer Studie deutlich, die allein schon aufgrund der Versuchspersonen, mit denen sie durchgeführt worden war, erwähnenswert ist: Die New Yorker Entwicklungspsychologin B. J. Casey unterzog insgesamt 27 Erwachsene, die als Kind in den sechziger Jahren an Mischels Marshmallow-Test teilgenommen hatten, einer Magnetresonanztomographie. [285]   Nun mussten sie allerdings nicht mehr der Versuchung eines Marshmallows widerstehen, denn Erwachsene haben selten eine besondere Vorliebe für diese unförmige weiße süße Masse. Die Selbstbeherrschung wurde vielmehr durch Aufgaben gefordert, bei denen die eigenen Emotionen gezügelt werden mussten. Wie sich zeigte, war die Aktivität in Bereichen des Frontalhirns, die bekanntermaßen mit dem Arbeitsgedächtnis und der Kontrolle von Gefühlen zuständig sind, bei denjenigen Probanden größer, die sich schon als Vierjährige im Marshmallow-Test besser im Griff hatten. Umgekehrt waren die emotionalen Zentren trotz versuchter Gefühlskontrolle bei denjenigen aktiver, die mit vier beim Marshmallow-Test schon versagt hatten. Wer zeitlebens seine Emotionen besser kontrollieren kann, kommt nicht nur besser durchs Leben, sondern macht auch seinen Mitmenschen das Leben leichter.

Stress ist fehlende Selbstkontrolle
    Manchen wird es überraschen, dass es einen klaren Zusammenhang zwischen Stress und Selbstkontrolle gibt. Für gewöhnlich sagen wir »So ein Stress«, wenn die Rolltreppe kaputt ist, wir in den vierten Stock gelaufen sind und uns den Schweiß von der Stirn wischen. Tatsächlich haben wir mit dieser kleinen Anstrengung jedoch gerade Stress abgebaut! Stress ist nämlich nicht dasselbe wie körperliche Anstrengung, sondern wird durch die richtige körperliche Ertüchtigung eher vermindert.
    Stress resultiert aus mangelnder Kontrolle. Stress hängt nicht davon ab, was objektiv der Fall ist, sondern davon, wie wir das Ausmaß unserer Kontrolle über die jeweilige Situation erleben. Ich möchte dies an einem Beispiel – einem Tierversuch – erläutern: Eine Ratte sitzt in einem Käfig und bekommt ab und zu über dessen Drahtfußboden einen kleinen elektrischen Schock. Der Schock tut weh, und die Ratte versucht, ihn zu vermeiden. Dies ist ihr möglich, denn in dem Käfig ist eine kleine Lampe eingebaut, die immer kurz vor dem Elektroschock aufleuchtet. Weiterhin befindet sich im Käfig noch eine Taste, die die Ratte drücken muss, sobald die Lampe aufleuchtet. Geschieht dies, erfolgt kein elektrischer Schock. Ist die Ratte jedoch zu langsam, folgt das schmerzhafte Schockerlebnis. Man kann die Zeit zwischen Lampe und Schock so einstellen, dass es der Ratte meistens gelingt, den Schock zu vermeiden. Ab und zu wird sie jedoch zu

Weitere Kostenlose Bücher