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Digitale Demenz: Wie wir uns und unsere Kinder um den Verstand bringen (German Edition)

Digitale Demenz: Wie wir uns und unsere Kinder um den Verstand bringen (German Edition)

Titel: Digitale Demenz: Wie wir uns und unsere Kinder um den Verstand bringen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manfred Spitzer
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auch nichts geht, hat man diesen Schritt längst vollzogen. Bei uns nicht. Das Gymnasium als die Schule, in der man das achtzehnte Lebensjahr erreicht und daher den Führerschein erwerben könnte, ist für den Unterricht in Deutsch, Mathematik, Sprachen, Natur- und Geisteswissenschaften und vielleicht sogar in Sport, Musik und den Künsten da, nicht jedoch für die Bewältigung des Lebens im Allgemeinen. Man müsste sonst ja auch Kochen, Putzen und Kontoführung unterrichten – so das Argument der Verfechter der »klassischen« Gymnasialfächer, die den Kanon nicht durch modischen Kleinkram, den man ja sowieso »durch das Leben« lernt, aufgeweicht wissen wollen. Die sprichwörtliche Lebensunfähigkeit mancher Akademiker – die zerstreuten Professoren mit den zwei linken Händen allen voran – wird von der Gegenseite nicht selten als Argument angeführt, dass es höchste Zeit sei, diesen »Klassik-Snobismus« der Gymnasien abzuschaffen.
    Dieser ziemlich alte Disput bildet den Hintergrund, vor dem in den vergangenen Jahren zunehmend heftig darüber diskutiert wird, ob man die neueste Errungenschaft der zivilisierten Welt – die Informationstechnik – zum Schulfach erheben sollte. Vieles scheint dafürzusprechen: Auch wer nicht direkt mit der Beschaffung und Bearbeitung von Informationen befasst ist, braucht einen Computer – in der Klinik beispielsweise, in der ich arbeite, die Raumpflegerin (zur Bestellung von Putzmitteln), die Krankenschwester (zur Dokumentation), der Arzt (für alles und jedes) und auch der Chef (der sich den Luxus, nicht am Computer zu arbeiten, nicht leisten kann). Kurz: Der Computer ist bei nahezu allen Arbeitsplätzen nicht mehr wegzudenken. Daher wäre es doch gut, wenn man schon in der Schule den Umgang mit digitalen Medien lernen und eine Art Computer- und Internetführerschein erwerben könnte.
    So gesehen, erscheint die Einführung des Schulfachs »Informationstechnik« nur folgerichtig. Andererseits brauchen wir auch Motorsägen und Backöfen, die Autos oder die Überweisungsscheine, und wir erheben den Umgang mit all dem nicht zum Schulfach. Wir denken gar nicht daran! Beim Internet und Computer ist das anders. Offenbar werden diese nicht nur als Werkzeug für bestimmte Arbeiten angesehen, sondern als Werkzeuge für das Lernen selbst. Glaubt man den Gurus von E-Learning, Edutainment, Computer Literacy und Medienkompetenz, dann handelt es sich bei einem Computer um eine Art High-tech-Version des Nürnberger Trichters, mit dem bei unseren Kindern nun endlich – nach Jahrtausenden der Plage mit dem Pauken – das Lernen wie von selbst gelingt.
    Viele Eltern sind verunsichert und kaufen allein schon aus diesem Grund ihren Kindern einen Computer. »Sie sollen es einmal besser haben als wir. Und deswegen dürfen wir unseren Kindern nicht vorenthalten, was sie im Leben weiterbringt. Wer einen PC nicht bedienen kann, ist von den Segnungen der modernen Gesellschaft ausgeschlossen (etwa wie derjenige, der nicht lesen kann).« So oder so ähnlich denken viele Eltern. Ich weiß das, weil ich nicht selten Briefe und E-Mails bekomme, in denen mich Eltern oder Großeltern diesbezüglich um Rat fragen. Und öffentliche Institutionen argumentieren in die gleiche Richtung.
    Die Verunsicherung nimmt gerade in jüngster Zeit enorm zu, weil immer mehr Kindergärten und Schulen Computer kaufen; und die damit verbundenen Probleme werden einem dann täglich vor Augen geführt. Wie es um die tatsächlichen Auswirkungen des Computers auf die schulischen Leistungen bestellt ist, haben wir ausführlich dargelegt. Wenn es überhaupt einen Effekt gibt, dann ist dieser negativ.
    Hinzu kommt, dass der Computer ein teures und zugleich recht kurzlebiges Wirtschaftsgut ist, denn wenn er nach drei Jahren überhaupt noch funktionieren sollte, ist er auf jeden Fall völlig veraltet und damit wertlos. Dann ist das Geld für die Anschaffung erneut fällig, und so geht es weiter. Kaum ein Produkt dieser Preisklasse hat einen so hohen Preis bei einer derart kurzen Nutzungsdauer. Welcher Konsument aus der Gruppe sozial schwacher Bürger würde beispielsweise ein Auto kaufen, das nach zwölf bis achtzehn Monaten kaum noch die Hälfte wert ist und nach drei Jahren nicht mehr repariert oder überholt wird, weil es sich einfach nicht mehr lohnt? Schon gar nicht würden dies Schulen oder Kindergärten tun, aber beim Computer machen alle eine Ausnahme, was die Hersteller sehr freut. Gewiss, man kann am PC Vokabeln

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