Dimension 12
dir?«
»Kehlkopfkrebs. Hörst du meine Stimme? Sie ist künstlich. Der Kehlkopf ist bereits degeneriert. Eine bösartige Wucherung frißt mich bei lebendigem Leibe. Du sollst sie entfernen.«
Die Augenschlitze schlossen sich kurz. Fühler falteten sich in einer Gebärde, die Mitleid, Verachtung oder Ablehnung bedeuten mochten. Vuors kratzige Stimme sagte in passablem Italienisch: »Du weißt, daß wir dir hier nicht helfen. Hier ist nur die Mittelstation, die Selektionsstelle. Wir geben dich weiter.«
»Ich weiß. Ich weiß. Dann schick mich in eine Welt, in der Krebs kuriert werden kann. Ich habe nicht mehr viel Zeit. Ich leide und will noch nicht sterben. Auf Erden warten noch viele unvollendete Aufgaben auf mich. Capito?«
»Was tust du auf Erden, Franco Alfieri?«
»Ist meine Akte nicht mitgekommen?«
»Doch. Aber ich will es von dir selbst hören.«
Alfieri zuckte die Achseln. Seine Handflächen waren kalt und feucht. Er ließ das Geländer los und hoffte, der Fremde würde ihm einen Stuhl anbieten. »Ich leite ein technisches Unternehmen«, sagte er. »Eigentlich eine Dachgesellschaft. Die Alfieri S. A. Wir machen alles: Energieverteilung, Umweltschutz, Roboter. Jetzt arbeiten wir an planetarischer Transformation. In unseren Tochterniederlassungen sind Hunderttausende beschäftigt. Aber wir sind nicht nur ein einträgliches Unternehmen. Wir bauen an einer besseren Welt. Wir…« Er zögerte. Ihm war aufgefallen, daß er wie einer seiner eigenen Propagandisten sprach. Und daß er um sein Leben bettelte. »Es ist ein mächtiges, segensreiches Unternehmen. Ich habe es gegründet, und ich leite es.«
»Und du bist sehr vermögend. Deshalb sollen wir dein Leben verlängern? Du weißt, daß jeder von uns sein Todesurteil in sich trägt. Manche trifft es früher, andere später. Die Chirurgen können nicht allen helfen. Die Zahl der Bittsteller ist unübersehbar. Erkläre mir, weshalb wir dich retten sollen.«
Alfieri fühlte Haß in sich aufsteigen. Er unterdrückte ihn und sagte: »Ich bin ein Mensch, der Frau und Kinder hat. Ist das nicht Grund genug? Ich bin so reich, daß ich für meine Heilung jeden Preis zahlen kann! Genügt das? Nein? Natürlich nicht. Schön, dann versuchen wir’s mal so: ich bin ein Genie. Wie Leonardo oder Michelangelo oder – oder Einstein. Du kennst diese Namen? Gut. Auch ich bin ein Begnadeter. Ich male nicht. Ich komponiere nicht. Ich plane. Ich organisiere. Ich habe die größte Gesellschaft Europas ins Leben gerufen. Ich habe Firmen gekauft und fusioniert, damit sie Leistungen erbringen, die ihnen allein niemals möglich gewesen wären.« Drohend sah er die fremdartige grüne Maske hinter der Quarzwand an. »Die Erfindungen, die es überhaupt ermöglichten, einen Menschen hierher zu katapultieren – meine Gesellschaft. Das Stromaufkommen – mein Besitz. Ich habe die Werke gebaut. Ich prahle nicht. Ich spreche die Wahrheit.«
»Du sagst nur, daß du sehr viel Geld verdient hast.«
»Hol dich der Teufel, nein! Ich sage, daß ich etwas geschaffen habe, das es vorher nicht gab, etwas Nützliches, Bedeutendes, nicht nur für die Erde, sondern für alle anderen Welten, die hier zusammentreffen. Und ich bin mit meinen Erfindungen noch nicht zu Ende. Ich habe noch Gewaltiges vor. Ich brauche dazu zehn Jahre und habe keine zehn Monate mehr. Kannst du es verantworten, mich abzuweisen? Kannst du es dir leisten, die in mir schlummernden Möglichkeiten zu ersticken. Nun?«
Seine künstliche Stimme, die auch dann nicht heiser wurde, wenn er brüllte, erstarb. Alfieri lehnte sich wieder ans Geländer. Die kleinen goldenen Augen in den schmalen Schlitzen musterten ihn ungerührt.
Nach langem Schweigen sagte Vuor: »Du wirst in Kürze unsere Entscheidung hören.«
Die Wände der Kammer wurden undurchsichtig. Müde ging Alfieri in dem kleinen Raum auf und ab. In seinem Mund spürte er den sauren Geschmack der Niederlage, aber er ärgerte sich nicht über seinen Fehlschlag. Er war ihm einerlei geworden. Natürlich würden sie ihn sterben lassen. Sie würden ihm sagen, er hätte sein Werk vollendet und sein Unternehmen aufgebaut, und daß es ihnen zwar sehr leid täte, daß sie aber vor allem die Ansprüche jüngerer Männer berücksichtigen müßten, die ihre Träume noch nicht verwirklichen konnten. Außerdem verachteten sie ihn vermutlich wegen seines Reichtums. Eher ging ein Kamel durch ein Nadelöhr, als daß die Chirurgen des Weltalls einem Reichen sein Leben
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