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Dimension 12

Dimension 12

Titel: Dimension 12 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Silverberg
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Die Schwerkraft war hier nur halb so wirksam wie auf der Erde. Als er unter jenem Quartett gleißender Himmelskörper stand, erfaßte ihn ein sonderbares Schwindelgefühl. Gleichzeitig hatte er den Eindruck, über unbändige Kraft zu verfügen. Er glaubte, daß er sich hochschnellen und die Sterne vom Himmel holen könnte.
    Die Hinnerangi waren kleine, eckige Geschöpfe mit bronzefarbener Haut, hohen Turmschädeln und faserigen Fingern, die sich unzählige Male teilten, bis sie in einem vibrierenden dünnen Netz endeten. Sie unterhielten sich mit heimlichem Raunen. Ihre Sprache erschien Alfieri noch barbarischer als das Baskische und noch konsonantenbeladener als das Polnische. Aber wenn sie sich mit ihm verständigen wollten, verwandelten die Translatorgeräte ihre Worte in die Sprache Dantes. Dieses Wunder flößte Alfieri größere Ehrfurcht ein als der gesamte Aufbau des Fokus, bei dem er zumindest so tun konnte, als verstünde er ihn.
    »Zuerst werden wir dir die Schmerzen nehmen«, eröffnete ihm der Chirurg.
    »Indem ihr mein Schmerzbewußtsein betäubt? Oder meine Nervenstränge durchtrennt?« fragte Alfieri.
    Der Chirurg betrachtete ihn mit wohlwollendem Mitleid. »Das menschliche Nervensystem kennt kein Schmerzbewußtsein. Was du Schmerzbewußtsein nennst, ist nur die Reaktion auf verschiedene Nervenimpulse, die von der Haut ausgehen. Unter ›Schmerz‹ versteht man eine bestimmte Art von Empfindungen, die nicht unbedingt unangenehm sein müssen. Wir werden die Gehirnzentren umpolen, von denen die Bewertung der Empfindungen ausgeht. Dadurch wird zwar dein Empfindungsvermögen nicht beeinträchtigt, aber was du spürst, erscheint dir nicht länger als Schmerz.«
    Zu einem anderen Zeitpunkt hätte Alfieri vielleicht eine Diskussion über die Definierung des Begriffs »Schmerz« begrüßt. Jetzt aber gab er sofort seine Zustimmung zu dem Eingriff.
    Er ging glatt und gekonnt vor sich. Während Alfieri in einer Wiege aus einer Art Schaumgummi lag, setzte ihm der Chirurg den nächsten Schritt auseinander: eine umfassende Geweberesektion, Ersatz der abgestorbenen Zellen, Regenerierung der Organe. Technische Wunder waren für Alfieri eine Selbstverständlichkeit. Er war mit allem einverstanden. Diese Dinge grenzten für ihn an Traumvorstellungen. Sie schnitten soviel von ihm weg, daß er glaubte, der kleinste weitere Schnitt mit dem Operationsstrahl würde ihm den Kopf gänzlich vom Rumpf trennen. Aber dann setzten sie ihn wieder zusammen. Sie versprachen ihm, daß er nach der Operation wieder mit seiner eigenen Stimme sprechen würde und nicht mit einem eingepflanzten Mechanismus. Aber war es wirklich seine Stimme, die hier für ihn rekonstruiert wurde? Einerlei. Alfieris Herz pumpte Alfieris Blut durch das neue Gewebe.
    Und der Krebs? War er behoben?
    Die Hinnerangi waren gründliche Leute. Sie spürten die Metastasen in seinem Körper auf. Alfieri sah ganze Krebskolonien, die sich in seiner Lunge, seiner Niere und seinen Eingeweiden angesiedelt hatten. Er malte sich mörderische Wesen aus, die gesunde Zellen mit ihrem Gift verseuchten und den Körper mit wuchernden Karzinomen überschwemmten. Aber die Hinnerangi sanierten seinen Körper. Als Draufgabe nahmen sie ihm noch den Blinddarm und beseitigten die Abnützung seiner Leber, an der er sich durch jahrelangen Konsum italienischen Weißweins versündigt hatte. Dann schickten sie ihn zur Genesung in den rot-goldenen Sonnenschein.
    Er atmete die fremde Luft und sah Monde, die wie Gazellen durch einen Himmel voll unbekannter Konstellationen hüpften. Tausendmal am Tag griff er an seine Kehle und überzeugte sich, daß das neue Gewebe warm und gut durchblutet war. Er aß das Fleisch unbekannter Tiere. Er wurde von Stunde zu Stunde kräftiger.
    Endlich steckten sie ihn in eine Singularitätskammer, schossen ihn durch den Fokus, und er kehrte zur Mittelstation zurück.
    Vuor sagte: »Du nimmst deine Arbeit sofort auf. Dies hier wird dein Büro sein.«
    Es war ein eiförmiger Raum, dessen atmende Plastikwände ihn warm und rosig und weich wie der Mutterschoß erschienen ließen.
    Hinter einer Wand lag die Kammer mit den Quarzwänden, durch die jeder Bittsteller kommen mußte. Vuor zeigte ihm, wie der Schalter zu betätigen war, damit er von beiden Seiten in die Kammer hineinsehen konnte.
    »Und worin besteht meine Pflicht?« fragte Alfieri.
    »Zuerst machst du mit mir einen Rundgang durch die Mittelstation, dann reden wir weiter«, sagte Vuor.
    Alfieri folgte ihm

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