Dinge geregelt kriegen – ohne einen Funken Selbstdisziplin
nutzt oder sogar schadet. Wer Selbstdisziplin einsetzen muss, um eine unschöne Aufgabe, einen lästigen Job zu verrichten, isst einen Teller vergifteter Suppe auf, ohne sich durch den alarmierend üblen Geschmack davon abbringen zu lassen.
Uns kommt es darauf an, die Haltung zur Arbeit zu überdenken und als Gegenpol zur hässlichen Fratze der Schmarbeit nicht nur die Faulheit gelten zu lassen, sondern auch die schöne Arbeit. Wir schlagen als Definition vor: Schöne Arbeiten sind solche, die man sich samt Rahmenbedingungen überwiegend selbst ausgewählt hat und an denen man deshalb Freude hat. Das Leben der meisten Menschen in Westeuropa enthält einen Anteil schöner und einen Anteil unschöner Arbeit. Das Ziel sollte sein, das Verhältnis zu optimieren. Zwar wird es nicht allen gelingen, die unschöne Arbeit vollumfänglich zu verbannen – aber auf eine Verbesserung kann jeder hinwirken.
Auf der Suche nach beruflicher Erfüllung ist man am Ziel, wenn man mit einer erfreulichen Arbeit Geld verdient, sagt Paul Graham. Viele andere drehen das Modell um, indem sie eine wenig belastende, geldbringende Arbeit und daneben viele unbezahlte schöne Tätigkeiten ausüben – und sind damit glücklich. Graham beschreibt seine eigene Entwicklung in der Haltung zur Arbeit in dem Essay «How to Do What You Love» so: «Erwachsene hatten zu arbeiten, vielleicht aufgrund irgendeines Fluchs. (…) Sosehr wir uns über die Schule beschwerten, alle Erwachsenen erzählten uns, dass erwachsene Arbeit schlimmer war und wir es besser hatten.Lehrer im Besonderen glaubten bedingungslos, dass Arbeit kein Spaß war. (…) Warum mussten wir auch Hauptstädte auswendig lernen, wenn wir stattdessen hätten Ball spielen können? Aus dem gleichen Grund, aus dem sie uns beaufsichtigen mussten, anstatt am Strand zu liegen. Man konnte einfach nicht tun, was man wollte. (…) Als ich ungefähr neun oder zehn Jahre alt war, sagte mir mein Vater, wenn ich einmal erwachsen sei, könnte ich immer tun, was ich wolle. Solange ich Spaß daran hätte. Ich erinnere mich genau daran, weil es so unüblich schien. Es war wie die Aufforderung, trockenes Wasser zu trinken.»
Dass Graham darüber hinaus einigen unterschwellig neoliberalen Tand in die Welt gesetzt hat, soll uns ebenso wenig stören wie seine Meinung, dass die meisten Menschen in ihrem Streben nach schöner Arbeit scheitern und sich glücklich schätzen sollen, wenn sie mit vierzig oder fünfzig Jahren eine solche Arbeit finden. Das mag mit Grahams etwas überzogener Definition zusammenhängen: «Die Definition von Arbeit ist, einen besonderen Beitrag zur Welt zu leisten, ohne dabei zu verhungern.»
Es geht nämlich auch ohne den Anspruch, «einen besonderen Beitrag» abzuliefern. Eine Aufgabe zu finden, mit der man glücklich wird und Geld verdient, hat seinen Zweck bereits im eigenen Glück erfüllt. Bei der Suche nach einer glücklich machenden Arbeit dient die schädliche Selbstdisziplin als Indikator: Ihre Notwendigkeit ist ein klares Zeichen dafür, dass man die schöne Arbeit noch nicht entdeckt hat, sondern noch in den Brackwassern der Schmarbeit herumdümpelt.
Zweifler mögen einwenden, Arbeit müsse eben Mühe machen, sonst könne sie nicht produktiv sein, der tägliche Kampf ums Überleben im Kapitalismus sei eben ein Kampf, und Kämpfe schmerzten. Aber wie kommt es dann, dassjeder Mensch eine Reihe von Dingen lernt und sich erarbeitet, die nützlich sein können und nicht als mühsame Arbeit empfunden werden? Kinder lernen Laufen, Sprechen und Nasebohren mühelos mit dem Antrieb von Neugier und Begeisterung, hochkomplizierte Computerspiele mit der Steuerungskomplexität einer Raumfähre werden von Erwachsenen mit Freude konsumiert, obwohl sie objektiv betrachtet mindestens so kompliziert, redundant und langwierig sind wie der Kampf auf Leben und Tod mit einer Exceltabelle. Wer ein wenig googeln kann, wird sogar Arbeitsferien auf dem Bauernhof finden, für die der Gast noch bezahlt, während er Ziegen hütet, Hühner schlachtet und Rüben erntet. Auch in Berufen, in denen viel und hart gearbeitet werden muss, gibt es Menschen, die genau diese Arbeit mit Freude erledigen. Ein gegenwärtiger Trend in der Arbeitsgesellschaft ist sogar das Downshifting: Gutbezahlte, komplizierte und belastende Jobs werden beendet zugunsten der einfachen, oft körperlichen Tätigkeit.
Arbeit macht nämlich nicht dann Spaß, wenn sie einer bestimmten Kategorie «besserer» Arbeit angehört, sondern
Weitere Kostenlose Bücher