Dinge geregelt kriegen – ohne einen Funken Selbstdisziplin
«The Tao Is Silent»)
Wenn man etwas wirklich will, dann schafft man es auch – wer schon einmal eine Castingshow beobachtet hat, weiß, dass dieser Satz Unfug ist. Korrekt müsste er lauten: Wenn man etwas wirklich will oder dringend muss, hat man eine größere Chance, es vielleicht zu schaffen, wenn die Umstände stimmen. Ein Satz, der auf Veranstaltungen von Motivationstrainern nur für mäßig gute Stimmung sorgen würde, aber der komplexen Motivationslandschaft des Menschen eher entspricht.
Motivation – die Bereitschaft, etwas zu tun – ist verhaltenspsychologisch oft untersucht und mit einer Vielzahl verschiedener Theorien beschrieben worden, nach denen sich das störrische Wesen Motivation im Einzelfall leider nicht immer richtet. Als Erklärungsansatz soll uns deshalb eine Vereinfachung dienen, die immerhin einige Rätsel der prokrastinierenden Psyche zu lüften vermag: die Unterscheidung von intrinsischer und extrinsischer Motivation. Intrinsische Motivation kommt von innen heraus, extrinsische Motivation wird von außen durch positive oder negative Anreize erzeugt. Andrew Howell und David Watson, zwei Psychologen aus dem in der Prokrastinationsforschung äußerstumtriebigen Kanada, haben nachgewiesen, dass Studenten, die intrinsisch motiviert an ihre universitären Aufgaben herangehen, weniger bis gar nicht unter Aufschiebeproblemen leiden. Diese Art der Motivation oder vielmehr ihr Fehlen scheint demnach ein Schlüssel zur Prokrastination zu sein.
Es ist für uns selbst oft schwierig zu sagen, weshalb genau wir etwas tun, und noch schwieriger herauszufinden, warum wir etwas nicht tun, also zum Beispiel prokrastinieren. Noch sind die dunklen Ecken im Innern der intrinsischen Motivation von Psychologen allenfalls mit flackernden Funzeln beleuchtet worden. Warum es dem einen nicht schwerfällt, tagelang Puzzles mit bayerischen Burgen zusammenzupfriemeln, während der andere das als nervtötende Arbeit ansieht, kann man kaum erklären. Eine Erkenntnis ist aber wichtig für uns: Wer Puzzles ungern löst, ist von außen selbst mit viel Geld, Liebesversprechen und Palmenstrandverheißungen nicht so nachhaltig zu motivieren wie jemand, der Puzzles liebt: Die intrinsische Motivation schlägt die extrinsische Motivation um Längen.
Leider reagiert die intrinsische Motivation empfindlich auf die für das Berufsleben typischen Einflussfaktoren Geld und Zeitdruck. Wer eine Tätigkeit liebt, aber zusätzlich von außen motiviert wird, spürt häufig ein lähmendes Gefühl der Verpflichtung. Aus dem, was man bisher zum Spaß getan hat, scheint plötzlich eine fremdbestimmte Tätigkeit geworden. Dieses Modell erklärt nebenbei, weshalb man ab dem Zeitpunkt, an dem man eine Jahreskarte fürs Schwimmbad gekauft hat, weniger oft hingeht. Vereinfacht gesprochen: Die intrinsische Motivation, die Begeisterung fürs Schwimmen, wird ersetzt oder ergänzt durch die extrinsische Motivation, die Jahreskarte voll auszunutzen, damit sie sich gelohnt hat. Es sieht so aus, als wäre unsere intrinsische Motivation eine kapriziöse Künstlerin, die sich pikiert zurückzieht, sobaldihr extrinsischer Handwerker-Kollege um die Ecke kommt. Diese Metapher trägt sogar noch etwas weiter, denn auch die Kreativität schwindet dahin, sobald von außen motiviert wird.
Freilich darf man diese merkwürdige Motivationsverschiebung nicht überbewerten und daraus folgern, dass man lieber doch keinen Beruf aus einer geliebten Tätigkeit machen sollte. Vielmehr geht es darum, sich die intrinsische Motivation zu bewahren und nicht allzu stark durch die extrinsische verunreinigen zu lassen. Man kann sich durchaus dazu bringen, Geld bei seinem Traumjob nicht als Motivation, sondern als Zusatznutzen anzusehen. Außerdem wirkt unter bestimmten Umständen zusätzliche Motivation von außen tatsächlich anregend (siehe unten).
Für viele LOBOs existieren nur zwei Schattierungen der Motivation: «ich will» und «ich muss unbedingt sofort», die beiden Extreme der intrinsischen und extrinsischen Motivation. «Ich sollte» dagegen enthält bereits das Eingeständnis des Scheiterns und funktioniert ähnlich schlecht wie To-do-Listen. Das Wollen ist, wie beschrieben, so individuell, dass jeder es selbst ausloten sollte. Der Zwang dagegen ist universeller und quasi auf Rezept erhältlich. Uns interessiert dabei im Zusammenhang mit Arbeit weniger die Zwangsarbeit, Sklavenhaltung oder Gefängnisstrafen, sondern eher selbstgewählte Instrumente der
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