Dinge geregelt kriegen – ohne einen Funken Selbstdisziplin
unverhältnismäßig erhöhen. Dan Ariely, Professor für kognitive Psychologie am MIT, fand in einem Experiment heraus, dass Studenten mehr Rechenaufgaben lösten, wenn sie ab einer bestimmten Zahl von korrekten Ergebnissen für jedes zusätzlich richtige Ergebnis eine Belohnung bekamen, insgesamt bis zu 30 Dollar. Stieg diese Summe auf unverhältnismäßige 300 Dollar, so nahm die Zahl der gelösten Aufgaben rapide um beinahe die Hälfte ab. Ob sich oberhalb von 300 000 Dollar wieder eine Steigerung der Motivation ergäbe, wurde bisher nicht experimentell erforscht; die Autoren melden sich hiermit freiwillig für eventuelle Versuche.
Für LOBOs bedeutet das, dass der Anreiz Geld bis zu einem gewissen Grad funktionieren kann, sich aber nicht beliebig steigern lässt. In einem hervorragend bezahlten, aber ungeliebten Job arbeitet man nicht motivierter als in einem normal entlohnten, ebenso lästigen – lediglich der Druck und seine negativen Folgen nehmen zu. Die Wahrscheinlichkeit eines Misserfolgs ist höher, und jeder Fehler wird zum Anlass umso heftigerer Selbstvorwürfe.
Ein wichtiges Instrument ist schließlich auch der soziale Druck. In vielen Facetten vom Gruppendruck bis zum bewussten «Schwimmen gegen den Strom» wirkt der soziale Druck auf die eine oder andere Weise motivierend und bestimmt so unser Handeln. Paul Graham hat in seinen Beobachtungen junger Start-up-Gründer festgestellt, dass diejenigen die besten Erfolgschancen hatten, bei denen das Risiko, sich vor aller Welt zu blamieren, am höchsten war. SeinerEinschätzung nach würden 90 Prozent der (von ihm geförderten) jungen Unternehmer Erfolg haben, wenn sie in einem Newsweek-Artikel als nächste Milliardärs-Generation beschrieben würden, «weil keiner von ihnen dann einfach aufgeben könnte». Der Wunsch, sich nicht entsetzlich zu blamieren, kann eine funktionierende Motivation sein. Leider verhält es sich dort ähnlich wie bei drakonischen Strafen – sie verlieren einen Großteil ihres Effekts, sobald sie über einen hereingebrochen sind. Aus diesem Grund eignet sich der soziale Druck weniger als ständiges Mittel zur Motivation, sondern eher, um brachliegende Kraftreserven im gefühlten Notfall zu mobilisieren. Wenn man sich tief in der Nacht zu einer weiteren Stunde Arbeit motivieren muss, kann es das entscheidende Quäntchen Energie bringen, sich die Bestürzung und den Unmut der anderen Beteiligten und das eigene Leiden darunter vorzustellen. Es sei denn, man hält seine Arbeit im Grunde sowieso für sinnlos.
Nimm 2!
Impulskontrolle und ihre Feinde
«Ich schloss damit, dass es mir leichter wäre, auf die drei täglichen Mahlzeiten zu verzichten als auf die Zigaretten; denn dazu muss man sich immer wieder mit derselben Anstrengung entschließen, jeden Augenblick, den ganzen Tag lang. Und wenn man mit diesen aufreibenden Entschlüssen ununterbrochen beschäftigt ist, bleibt einem für nichts anderes mehr Zeit …»
(Italo Svevo: «Zeno Cosini»)
Impulskontrolle ist die sympathischere kleine Schwester der Selbstdisziplin. Ihre Kraft ist begrenzt, sodass man sich mit ihrer Hilfe kaum in unpassende Berufsausbildungen und Lebensentwürfe hineinmanövrieren wird. Aber wenn man einmal am Bett vorbeigehen will, ohne sich sofort hineinzulegen, kann man sich vertrauensvoll an sie wenden. Impulskontrolle hilft uns, immerhin nur ungefähr 90 Prozent aller Verlockungen nachzugeben und nicht gleich allen. Ihren Sitz vermutet man im präfrontalen Cortex und im anterioren Gyrus cinguli – was den meisten so viel sagen wird wie «in Nischnewartowsk», aber daran können wir jetzt auch nichts ändern –, also jedenfalls an zwei relativ präzise bestimmten Stellen im Kopf. Kinder sehen noch nicht ein, warum sie ihre Impulse kontrollieren sollten, aber bis zum Erwachsenenalter lernen die meisten Menschen, nicht immer gleich mit dem Sandschäufelchen nach ihrem Chef zu werfen.
Interessant an der Impulskontrolle ist, dass sie sich offenbar abnutzt, wenn man sie betätigt. Dafür sprechen über fünfzig experimentelle Studien aus den letzten zehnJahren. In einem Experiment der amerikanischen Psychologen Kathleen D. Vohs und Todd F. Heatherton bekamen Versuchspersonen einen langweiligen Film gezeigt, während im selben Raum eine Schale Süßigkeiten stand, aus der sie sich bedienen durften. Danach wurde Eiscreme gereicht. Hatten die Süßigkeiten in Reichweite der Probanden gelegen, aßen Teilnehmer, die auf Diät waren,
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