Dinge geregelt kriegen – ohne einen Funken Selbstdisziplin
freundlich-zerknirschten Entschuldigung auch Dutzende Male Linderung verschaffen und so die belasteten sozialen Beziehungen geschmeidig halten. Es empfiehlt sich daher, die Wendung «Es tut mir leid» anzuwenden, wenn sie angebracht ist, und sich und andere nicht mit falschem Stolz oder Arroganz zu belasten. Es tut uns sehr leid, wenn Sie sich an dieser Stelle mehr gute Ausreden, Entschuldigungen, Tipps und Tricks zur Vertuschung der Prokrastinationsfolgen versprochen haben, aber wir möchten uns nur ungern für einen Familienmord à la Romand verantwortlich fühlen.
Manierenratgeber für LOBOs
Ein unordentlicher Lebensstil entschuldigt nicht alles, zumindest nicht immer. Falls man es sich nicht mit allen Nicht-LOBOs verderben möchte, empfiehlt es sich, einen Blick auf die folgenden Hinweise zu werfen.
Keine äußeren Zwänge vorgaukeln. Erstens ist es unhöflich, sich auf Arbeit oder Termine rauszureden, um ein Gespräch zu unterbrechen, zu dem man keine Lust hat. Zweitens wird man bald selbst anfangen, ernsthaft an diese Zwänge zu glauben.
Nichts versprechen. Insbesondere nicht «Ja» oder «Mal sehen» sagen, wenn man schon weiß, dass man «nie im Leben» meint. Der weise LOBO tut das zu Versprechende und kündigt es erst danach groß an.
Manchmal muss man andere hängenlassen. Es gibt Schlimmeres, man könnte einen Autounfall haben oder zum Koksentzug müssen, dann müssten die anderenauch sehen, wie sie allein zurechtkommen. Hängenlassenkönnen ist eine wichtige Fähigkeit, die viel zu selten trainiert wird. Die Abhängigkeit der anderen von einem selbst ist nämlich oft nur eingebildet, und zwar, damit man sich besser und wichtiger fühlt. Schon aus Gründen der eigenen Psychohygiene und als Demuts-Training sollte man sich daher vornehmen, jede Woche jemanden hängenzulassen. Allerdings muss man dann zum Ausgleich an anderer Stelle bereitwillig einspringen, also zum Beispiel auch mal jemandem beim Umzug helfen, der eine umfangreiche Felsblocksammlung besitzt.
Rechtzeitig absagen. Die Menschen, die sich auf einen verlassen haben, sollen zumindest eine reelle Chance bekommen, für Ersatz zu sorgen. Wenn man bereits ziemlich genau weiß, dass es jetzt auf keinen Fall mehr klappt oder man partout keinen Funken Interesse für die Arbeit aufbringen kann, ist es unanständig, diese Erkenntnis für sich zu behalten.
Keine Zivilisten mit reinziehen. Wie Bewohner von Problemvierteln und aufmerksame Zuschauer von «Die Sopranos» wissen, sind organisierte Verbrecher in aller Regel so höflich, ihre Probleme nicht durch Erschießen Unbeteiligter zu lösen. Nur wer sich auf das Spiel eingelassen hat, muss auch die Folgen ausbaden. Entsprechend sollte das komplexe Wechselspiel aus Deadlines, Ausflüchten, Drohungen, allerletzten Verschiebungen und der daraus resultierende Stress nicht die Lebensqualität Außenstehender beeinträchtigen. Insbesondere sollten andere Menschen nie in eine Situation gebracht werden, in der sie für einen lügen müssen, denn wenn es eine Hölle geben sollte, kommt man dafür garantiert hinein.
Deadlines einfordern. Menschen, mit denen man zum ersten Mal zusammenarbeitet, vorwarnen, dass ohneDeadline wenig bis nichts passieren wird. Falls keine echte Deadline zur Hand, sollte die andere Seite deren Existenz glaubhaft vortäuschen.
Schonungslose Aufklärung über Ausleihprobleme. Macht einem jemand ein nett gemeintes Leihangebot, warne man ihn vor, dass er das betreffende Buch/die Bohrmaschine voraussichtlich nie wiedersehen wird. Nicht alle finden das so schlimm, wie man annehmen könnte. Es gibt Menschen, die ganz froh sind, wenn sich ihr zu verwaltender Besitz auf diese Art reduziert. Diese Aufklärung empfiehlt sich schon im eigenen Interesse, denn sie verringert das schlechte Gewissen, das man noch Jahre später beim Anblick des nicht zurückgegebenen Gegenstands empfinden wird.
Nicht sehenden Auges ins Unglück laufen. Grob fahrlässig ist es, sich wissentlich in eine prokrastinationsauslösende Situation zu begeben, die anderen Menschen Scherereien bereitet. Kein LOBO sollte Bestellungen auf Rechnung tätigen. Ist die Ware erst geliefert, gibt es keine Motivation mehr, sich noch um das lästige Bezahlen zu kümmern. Anbieter, die nur auf Rechnung versenden, sind unbedingt zu meiden. Aus demselben Grund enthält dieses Buch nur wenige Internetadressen und konkrete technische Tipps. Die reichen wir im Blog zum Buch unter prokrastination.com nach. Sonst muss das Buch immer wieder
Weitere Kostenlose Bücher