Dinner for one, Murder for two
»Ich bin zu früh für meinen Termin bei Lysander. Du fährst um einiges rasanter als der Bus.« Sie überlegte einen Moment. »Ich gehe noch zum Grab von Shakespeare. Das tue ich immer, wenn ich hier bin.«
»Um zu kontrollieren, ob er in der Zwischenzeit umgezogen ist?«, fragte der Journalist und sah sie unschuldig an.
Pippa lachte und wandte sich zum Gehen. Über die Schulter sagte sie: »Kommst du mit? Du wolltest doch eine Führung.«
Durch das schmiedeeiserne Tor betraten sie das Kirchengelände der Holy Trinity Church und gingen über den alten Friedhof zum Eingang. Carlos blieb an verwitterten Grabsteinen stehen und suchte einen Blickwinkel, von dem aus die Kirche, die alten Weiden und die ehrwürdigen Steine ein besonders ausdrucksvolles Motiv abgaben.
Pippa betrat das Kirchenschiff ohne ihn und genoss den Moment der Stille. Die Atmosphäre der Kirche nahm sie sofort gefangen: die reichen Schnitzereien, die farben prächtigen Fenster und die vielen handbestickten Betkissen, die vom Eifer der Gemeindemitglieder zeugten und die Bänke zu fast privaten Orten der inneren Einkehr machten.
Im kleinen Laden an der Eingangstür kaufte sie ein paar Postkarten, setzte sich in eine Bankreihe und schrieb an Lisa und Sven.
Carlos tippte ihr auf die Schulter und ging dann wortlos an ihr vorbei zur Sperre, um den kleinen Obolus zu bezahlen, der ihnen den Zugang zu Shakespeares Grabstätte erlaubte. Eine einzelne rote Rose lag auf der grauen Platte. Carlos zückte seine Kamera und schoss ein Foto, auf dem nichts als ein Teil der dunkelroten Blüte und der Name Shakespeare zu sehen war.
»Der Sage nach ist Shakespeare in sieben Metern Tiefe beigesetzt, um ihn vor Grabräubern zu schützen«, sagte Pippa. »Aber wer sollte Interesse haben …«
»Wenn da unten wirklich noch verschollene Handschriften von Shakey lagern, dann würde ich mich gerne bis zu ihm durchbuddeln«, unterbrach Carlos sie sofort. »Und wenn ich nichts anderes fände als seinen Schädel, könnte ich den immer noch als erstklassige Requisite für Hamlet -Aufführungen vermieten.«
Pippa lachte. »Keine Angst vor der Warnung auf dem Grabstein?«
»Du guter Freund, tu’s Jesus zu Gefallen und wühle nicht im Staub, der hier verschlossen. Gesegnet sei der Mann, der schonet diese Steine. Und jeder sei verflucht, der stört meine Gebeine« , zitierte Carlos ohne hinzusehen und wurde unversehens ernst. »Sieh dich vor, Hasso von Kestring«, sagte er leise, »und geh respektvoll mit … Hamlet um, sonst wird der Fluch dich treffen.«
Langsam schlenderten sie am Avon entlang, bis sie die Theater vor sich liegen sahen. An der Kurbelfähre, die den Sommer über den Fluss querte, gingen sie durch den Theatergarten bis zur Straße und weiter zum Festivalbüro. Links standen Häuschen aus rotem Klinker und mit bleiverglasten Fenstern, manche direkt an der Straße, andere mit einem schmalen Vorgarten.
An dem winzigen zweistöckigen Doppelhaus, in dem Lysanders Büro untergebracht war, verabschiedete sich Carlos.
»Ich sehe mir die Nachmittagsvorstellung an. Romeo und Julia . Wir treffen uns dann später am Auto.«
Er winkte kurz und ging zielstrebig weiter in Richtung Theater. Pippa wollte ihm gerade nachrufen, dass die Vorstellungen seit Wochen ausverkauft seien, als sie sich neidvoll an Carlos’ Presseausweis erinnerte, der ihm problemlos alle Türen öffnen würde. Sie beobachtete, wie er im Eingang zum Swan Theatre verschwand, und zwang sich, sich wieder an den Grund ihres Besuchs zu erinnern.
Der Platz der Sekretärin war unbesetzt und die Tür zum angrenzenden Büro einen Spalt geöffnet. Bevor Pippa sich bemerkbar machen konnte, hörte sie Lysanders Stimme und zögerte.
»Mir fehlt immer noch ein Kapitel über dein Privatleben, Michael«, sagte er gerade. »Die Leute wollen auch etwas über den familiären Michael Hornsby erfahren. Das musst du doch verstehen.«
»Ich möchte, dass meine Biographie strikt beruflich bleibt«, hörte Pippa Sir Michael antworten.
»Aber …«
»Kein Aber«, beharrte Sir Michael freundlich, aber bestimmt. »Mein Privatleben hat niemanden zu interessieren, es geht nur um meine Arbeit als Schauspieler.«
»Deine Biographie sollte mehr sein als nur eine Auflistung deiner Erfolge«, sagte Lysander.
»Und du meinst, mein Privatleben ist ein Misserfolg und muss deshalb unbedingt erwähnt werden?« Sir Michaels Stimme klang müde.
»Das habe ich nicht gesagt. Aber es wird doch irgendetwas geben, das
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