Dinner for one, Murder for two
Theater organisiere, statt selbst zu spielen?« Lysander hob sein Glas. »Auf alle, die jeden Abend auf der Bühne … ihr Leben für uns wagen.«
»Und auf die Leute im Hintergrund, durch die das Wagnis Plan und Farbe bekommt«, sagte Pippa.
Lysander nickte. »Auf die Bühnenbildner, Schneiderinnen, Beleuchter, Musiker, Kartenverkäufer …«
»… und gewissenhafte Regisseure.« Pippa stieß mit Lysander an und hatte das köstliche Gefühl, sich einmal in ihrem Leben in die lange Reihe all derer stellen zu dürfen, die eine Produktion erst möglich machten.
»Die Mitarbeit an diesem Projekt gefällt mir gut«, sagte sie, »Ehre und Vergnügen zugleich, wann hat man das schon? So nah mitzuerleben, wie eine Produktion entsteht, so eng mit den Schauspielern arbeiten zu dürfen …«
»Gibt es sprachliche Schwierigkeiten? Die Stipendiaten kommen ja immerhin aus ganz Europa.«
»Alles halb so wild. Ich übe mit Anita Unterweger, aber mehr weil sie unsicher ist, als dass sie es wirklich nötig hätte. Duncan allerdings …« Pippa lächelte, als sie an den harten Akzent des jungen Schauspielers dachte. »Dass er Schotte ist, kann man beim besten Willen nicht überhören, aber ich mache mir keine Sorgen. Irgendwie passt es zu seiner Rolle. Außerdem ist er sehr motiviert und trainiert buchstäblich Tag und Nacht.«
»Und die Stimmung im Ensemble?«
»Du spielst auf den Ausflug an«, sagte Pippa, und Lysander nickte.
»Ich denke«, fuhr Pippa fort, »dass Duncan und Hendrik einfach zu viel getrunken hatten. Revierkämpfe. Sie sind sich noch fremd, suchen ihre Position in der Gruppe und wollen den Damen imponieren. Sie kapieren schon noch, dass es hier um Teamarbeit geht.«
Die Bedienung brachte die bestellten Fish & Chips an den Tisch und unterbrach so die angeregte Unterhaltung. Sie aßen schweigend, bis Lysander den Gesprächsfaden wieder aufnahm.
»Du hast noch nichts über von Kestring erzählt. Was hältst du von seiner Arbeit?«
Pippa zuckte innerlich zusammen und suchte nach Worten. Verdammt, dachte sie, warum soll ich eigentlich diplomatisch sein? Sie sah Lysander an und fragte: »Warum habt ihr ihn ausgewählt?«
»Deutschland war an der Reihe, ein Stück zu inszenieren. Vorgabe der Europäischen Union.«
»Aber ausgerechnet von Kestring? Er ist nicht gerade das kleinste von vielen Übeln unter den deutschen Theaterregisseuren.« Sie verzog das Gesicht und schüttelte sich. »Allesamt überbezahlte Verschwender von Steuergeldern.«
Lysanders Mundwinkel zuckten. »Und das weißt du so genau, weil …«
»Weil ich als Publikum die Leidtragende bin. Wie oft bin ich schon in der Pause gegangen! Ich will das Original hinter der eitlen Regie wenigstens erahnen können – aber viele inszenieren, als wären sie selbst die Zielgruppe und nicht das zahlende Publikum. Ich verdiene nicht genug Geld, um es zu verplempern. Ich muss für jeden Theaterbesuch lange sparen. Und jetzt ausgerechnet dieser von Kestring – es muss doch Alternativen gegeben haben. Ein solches Elend hat Shakespeare nicht verdient.«
Smith-Bates wich ihrem Blick aus. In seinem Gesicht arbeitete es, als wollte er einen schweren Monolog beginnen.
Schließlich sagte er: »Ich weiß, dass du das, was ich dir jetzt sage, vertraulich behandeln wirst, Pippa.«
Was kommt denn jetzt?, dachte sie und nickte.
Er räusperte sich, bevor er weiterredete. »Er war der einzige Bewerber. Wir hatten keine Wahl.«
»Was? Weiß von Kestring …?«
Lysander schüttelte den Kopf. »Er denkt, sein Konzept hätte uns überzeugt.«
»Natürlich denkt er das.« Pippa verdrehte die Augen. »Typisch Hasso. Das erklärt einiges. Großartig. Jetzt kann ich endlich wieder ruhig schlafen.«
Smith-Bates lachte leise. »Du hattest also schon an Sir Michaels und meinem Verstand gezweifelt? Kein Wunder, das hätte ich an deiner Stelle wohl auch getan.«
»So hart würde ich es nicht formulieren, aber …«
Er winkte ab. »Kein Grund, dich zu entschuldigen, Pippa. Hauptsache, ich bin rehabilitiert. Übrigens, wenn du eine Theaterkarte für die Royal Shakespeare Company benötigst, sag einfach Bescheid, ja? Ich komme immer an Karten.« Lysander zwinkerte ihr zu. »Sogar für Hamlet Reloaded .«
Auf der Rückfahrt nach Hideaway war Carlos Kwiatkowski bester Laune. Er summte die Lieder aus dem Radio mit, und seine Finger trommelten den Rhythmus auf dem Lenkrad.
»Die Vorstellung war gut?«, fragte Pippa.
»Großartig!«, antwortete Kwiatkowski
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