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Dinner für eine Leiche

Dinner für eine Leiche

Titel: Dinner für eine Leiche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean G. Goodhind
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betuchten, schicken Damen führte. Kleider, die einmal ein kleines Vermögen gekostet hatten, wurden von Frauen, die ihrer überdrüssig geworden waren, in diesen Laden gebracht. Dort wurden sie zu einem stark ermäßigten Preis verkauft, und der Erlös wurde zwischen dem Laden und der Kundin geteilt. Niemals verpasste ihre Mutter einen Mittwoch in diesem Geschäft, wo der Klatsch so hell glitzerte wie die Pailletten auf den Cocktailkleidern.
    »Ich habe meine Schicht getauscht«, erklärte sie.
    »Mutter, meinst du nicht, dass du dich ein bisschen zu sehr in die Sache …?«
    »Kümmere dich um deinen eigenen Kram.«
    Dann war die Leitung tot.
    Das war wirklich Anlass zur Beunruhigung. Die toten Köche waren Anlass zur Beunruhigung. Honey zwang sich, scharf nachzudenken.
    Obwohl noch nicht alle ihre Hirnwindungen auf Volldampf liefen, dümpelte doch alles ganz nett vor sich hin – so schien es ihr jedenfalls. Irgendwann musste sie schließlich mal aufwachen. Bestimmt. Sie hatte gerade die Rechnung für zwei kanadische Gäste fertig gemacht, die drei Nächte im Hotel geblieben waren.
    Der pensionierte Buchhalter überflog seine Rechnung und zog die Augenbrauen hoch. »Lieber Gott, bezahle ich für goldene Wasserhähne in dem Zimmer?«
    Honey begriff nicht ganz, was er meinte, und schaute ihn durch zusammengekniffene, leicht brennende Augen an. »Sir, wir haben keine goldenen Wasserhähne.«
    »Bei solchen Rechnungen?«, fragte er und deutete auf die vierstellige Endsumme.
    Honey entschuldigte sich verlegen und wortreich, als sie die zusätzliche Null wegstrich, die irgendwie aus dem Äther erschienen war.
    |125| Lindsey bemerkte, dass sich ihre Mutter ziemlich ungeschickt anstellte, und schaltete sich ein. »Lass mich mal machen. Warum legst du dich nicht noch ein bisschen hin?«
    »Kann nicht.«
    »Versuch’s einfach mal.«
    Sie wechselten einen verständnisvollen Blick, und plötzlich war wieder ein wenig von der alten Wärme zwischen Mutter und Tochter da.
    Honey ging auf die Tür zu, die mit »Privat« beschildert war und auf den Weg zu ihrer Wohnung im Kutscherhäuschen hinausführte. Als sie gerade die Hand ausstreckte, um die Tür zu öffnen, hörte sie ein altvertrautes Zischeln. Es klang ein wenig, als strömte Gas aus einem Leck in der Leitung.
    »Psst!«
    Sie schaute sich um. Ein körperloser Kopf zischte ihr zu. Der Rest der Person war hinter dem Gobelin-Paravent verborgen, der den Privatausgang vom Empfangsbereich des Hotels abtrennte.
    Zwei blaue Augen blitzten aus einem Labyrinth feiner Fältchen hervor.
    »Ich muss mit Ihnen sprechen«, flüsterte Mary Jane heiser.
    Ein langer, dünner Finger krümmte sich und forderte sie auf, ihr zu folgen.
    Das war’s dann wohl. Das Nickerchen würde nicht stattfinden. Honey lächelte Mary Jane zu und folgte dem gekrümmten Finger in den Salon.
    Mary Jane war hoch aufgeschossen und schlaksig, trug mit Vorliebe Rosa und hatte beschlossen, ewig zu leben. Sie hatte im Hippie-Zeitalter in Kalifornien gewohnt und besaß zum Beweis dafür noch einen rosafarbenen Cadillac, Baujahr 1963. Man hatte das Auto nach Großbritannien verschifft, nachdem sie sich entschieden hatte, für immer hier ihr Domizil aufzuschlagen. Zuerst hatte sie einige Probleme damit gehabt, mit einem Wagen mit Linkssteuerung auf der linken Straßenseite |126| zu fahren, doch schließlich hatten sich Mary Jane – und die Einwohner von Bath – daran gewöhnt.
    Es waren keine anderen Gäste im Wintergarten. Trotzdem senkte Mary Jane ihre Stimme zu einem Flüstern. »Polly hat letzte Nacht an meine Zimmertür gehämmert wie eine wild gewordene Todesfee.«
    Honey runzelte fragend die Stirn. Hatte sie eine Angestellte namens Polly? Vielleicht eine Aushilfe? Sie begann sich zu entschuldigen. »Oh, das tut mir so leid, Mary Jane. Ich werde mich drum kümmern.«
    Mary Janes Lachfältchen verschwanden; sie sah Honey verblüfft an.
    »Ach du liebe Güte, nein, Honey – Schätzchen! Bin ich nicht genau deswegen hier? Damit meine Freunde von der anderen Seite rüberkommen und mich besuchen können? Polly hat es nie so richtig gelernt, durch Mauern zu gehen. Sie glaubt, dass sie immer noch lebt und das alles nicht kann.«
    Da fiel endlich der Groschen. Mary Jane hielt sich zumeist in ihrer ganz eigenen Welt auf.
    Das »Rüberkommen«, von dem sie sprach, hatte nichts mit Transatlantikflügen zu tun. Sie sprach über teure Verblichene, die Vergnügen daran zu finden schienen, regelmäßig aus dem Jenseits bei

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