Dinotod: Tannenbergs vierter Fall
meine Damen und Herren, beantworten mir jetzt zuerst einmal folgende einfache Frage: Kennt noch jemand von Ihnen die Frau oder hat jemand irgendwelche konkreten Beobachtungen in dieser Sache gemacht?“
Da sich niemand meldete, einige nur leise ›nein‹ sagten, andere dagegen lediglich wortlos den Kopf schüttelten, wies er die sensationslüsternen Menschen an, sich von der Brüstung zu entfernen und sich zu ihm zu begeben.
Als die verwundert dreinblickenden Leute bei ihm eintrafen, empfing er sie mit den Worten: „So, und nun bleiben Sie genau hier stehen. Gleich kommen meine Kollegen und nehmen ihre Personalien auf.“
Währenddessen hatte Sabrina ihren Notizblock gezückt und bereits mit der Befragung des älteren Herrn begonnen.
Da ihr Vorgesetzter nur allzu gut wusste, wie ungehalten die Kollegen von der Kriminaltechnik stets reagierten, wenn sie ihn inmitten eines von ihnen zu bearbeitenden Terrains entdeckten, begab sich Tannenberg schnellen Schrittes zur Panoramaplattform, die einen prächtigen Rundblick über das Gartenschaugelände bot.
Von seinem Standort hinter dem etwa 1,3 m hohen verzinkten Metallzaun sah er zwar den großflächig mit einem hellgrünen Wasserlinsenteppich bedeckten Barbarossawoog, dessen zum Felsen hin gelegene Ausbuchtung mit hohem Schilfgras bewachsen war, aber er konnte aus dieser Position den Stegosaurus nicht erspähen.
Erst als er seine Beobachtungsperspektive dadurch veränderte, indem er seinen Oberkörper weit über den abgewetzten schmalen Handlauf schob, konnte er über den Felsvorsprung hinwegblicken und schaute nun direkt auf den von einem nahezu senkrecht emporstehenden Dinosaurierstachel aufgespießten weiblichen Leichnam, von dessen rechter Gesichtshälfte man tatsächlich nur einen kleinen Teil erkennen konnte.
Ein kurzer abschließender Blick zu den sich im Südwesten hinter der Stadt auftürmenden bewaldeten Bergrücken beendete seinen visuellen Erkundungstrip. Tannenberg wandte sich wieder der Gruppe der Schaulustigen zu, von denen ein ganz tollkühner nun auch noch damit anfing, den Leiter des K 1 auf Zelluloid abzulichten und ihn somit für die Nachwelt festzuhalten.
„Hören Sie sofort auf mit diesem Schwachsinn“, herrschte er den athletischen jüngeren Mann an, dessen Blitzlicht ihn ziemlich erschreckt hatte. An die Menge gewandt ergänzte er: „Wenn meine Kollegen da sind, müssen Sie sowieso alle ihre Fotoapparate und Videokameras abgeben.“
Kaum hatten diese Sätze Tannenbergs Mund verlassen, bogen auch schon ein Streifenwagen und der Kleintransporter der Spurensicherung um die Ecke.
Tannenberg begrüßte seine Kollegen mit einem kurzen Handzeichen. Dann begab er sich zu Sabrina. Die junge Kommissarin teilte ihm schulterzuckend mit, dass der von ihr befragte ältere Mann zwar ungefähr zu wissen glaube, in welchem Teil der Benzstraße die Tote gewohnt habe, er aber trotz intensivster Bemühungen nicht in der Lage gewesen war, nähere Angaben zum Namen oder zur genauen Adresse der Frau zu machen.
Während Sabrina ihren Vorgesetzten, Trauzeugen und väterlichen Freund über ihren aktuellen Erkenntnisstand ins Bild setzte, ruhten Tannenbergs Augen auf einer in etwa fünf Metern Entfernung in ein Rasenstück eingelassenen Sandsteinskulptur, die eine kniende, den Oberkörper nach vorn gebeugte männliche Gestalt darstellte, von deren Kopf man nur die in Stein gemeißelte Haarfläche erkennen konnte. Auf ihrem flachen Rücken lastete ein schwerer Sandsteinquader, der die geknechtete Figur zu erdrücken schien.
Genauso fühle ich mich im Moment, dachte Tannenberg, mahnte sich aber sogleich zur Selbstdisziplin.
„Na gut, dann fahren wir jetzt einfach mal gemeinsam dorthin“, entschied er spontan und wies sogleich den Fahrer des Streifenwagens an, sie umgehend zur vermeintlichen Wohngegend der Toten zu chauffieren.
Zuvor scharte er jedoch noch kurz seine gerade eingetroffenen Kollegen um sich und bat sie eindringlich, sich im Zuge der nun beginnenden Ermittlungsarbeit auch um die ihn brennend interessierende Frage zu kümmern, auf welchem Wege der Leichnam wohl hierher transportiert worden war.
Aufgrund der hervorragenden Ortskenntnis des jungen Polizeibeamten wurde das gesuchte Wohngebiet schnell gefunden. Tannenberg hielt mit hektischen Blicken nach einem Passanten oder Anwohner Ausschau, der ihm womöglich einen entscheidenden Tipp geben konnte. Kurz nach der Einmündung in die Benz-Straße erspähte er eine modisch gekleidete
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