Dinotod: Tannenbergs vierter Fall
mehr, was er sagen sollte. Entsetzt durchfurchte er sich die Haare, schlug die Hände verzweifelt vors Gesicht.
„Denke immer daran, dass ich das alles auch für dich tue, Brüderlein!“, sagte Paul mit sich erhebender Stimme. Ein geradezu diabolisches Funkeln zeigte sich in seinen Augen, während er zeitgleich mit einer Seitwärtsdrehung seines Kopfes ergänzte: „Was meinst du wohl, warum es immer heißt: Aller guten Dinge sind drei?“
17
Sie mochte keine Aufzüge. Der Fußweg über das Treppenhaus dauerte zwar gewöhnlich etwas länger und war natürlich auch beschwerlicher. Aber dafür konnte man sich frei bewegen, war nicht in einer engen Kabine eingesperrt. Und nichts hasste sie mehr, als in ihrer Bewegungsfreiheit eingeschränkt zu sein – im Lift genauso wie in ihren Leben.
Die Tiefgarage war wie immer nur spärlich beleuchtet. Aber richtige Angst hatte sie hier unten noch nie empfunden. Schließlich war sie Trägerin des braunen Gürtels in Karate.
Ihr Wagen stand an derselben Stelle wie sonst auch. Sie kramte in ihrer Handtasche, entnahm den Autoschlüssel und steckte ihn ins Schloss.
Dann ging alles rasend schnell.
Zuerst verspürte sie ein spitzes, schneidendes Schmerzgefühl in der Halsgegend. Sofort verkrampfte sich ihre Nacken- und Halsmuskulatur. Sie bekam keine Luft mehr, begann zu röcheln. Nahezu zeitgleich registrierte sie einen kurzen scharfen Schmerz, der vom Aufprall ihres Kopfes auf das Autodach herrührte.
Reflexartig probierte sie, ihre Finger unter das Stahlseil zu schieben. Aber sie ertastete nur die auf beiden Seiten ihres Halses hervorgetretenen Sehnen.
In Todesangst schlug sie wie wild um sich, versuchte den Kopf nach hinten zu werfen. Aber sie hatte nicht die geringste Chance, sich gegen die brutale Gewalteinwirkung zu wehren.
Bereits nach kurzer Zeit erlahmten ihre Widerstandskräfte. Sie verlor das Bewusstsein. Ihr schlaffer Körper sackte in sich zusammen.
Tannenberg beendete umgehend die Dienstbesprechung und begab sich eilenden Schrittes zu Petra Flockerzie, die gerade mit der Rezeption des am Stadtpark gelegenen Hotels telefonierte, in dem die Kriminalpsychologin unter der Woche logierte.
„Nein, Chef, sie ist dort heute Morgen noch nicht gesehen worden“, verkündete die Sekretärin kopfschüttelnd, während sie den Hörer auflegte.
„Verdammt! Wo steckt sie nur?“
„Ich versuch’s jetzt mal bei ihr zu Hause.“ Mit wieselflinken Fingerbewegungen tippte sie die entsprechenden Ziffern ein. „Guten Morgen, Frau ...“, hatte sie gerade gesagt, als ihr Tannenberg den Hörer aus der Hand riss.
„Es ist doch nur der Anrufbeantworter, Chef“, beschwerte sich Petra Flockerzie angesichts dieser rüden Aktion.
„Entschuldige, Flocke“, murmelte Tannenberg und reichte ihr den Hörer.
„Guten Morgen, Frau Doktor. Hier ist das K 1. Bitte melden Sie sich sofort, wenn Sie das Band abgehört haben.“
„Komm, probier’s mal auf ihrem Handy!“
„Bin schon dabei, Chef.“
Wie ein kleiner Junge, der dringend zur Toilette muss, trippelte Tannenberg ungeduldig auf der Stelle herum.
„Ihr Handy ist nicht eingeschaltet. Es kommt nur diese Automatenstimme: „The person ...“
„Gib mir sofort die Kollegen vom LKA. Leg sie mir auf den Apparat in meinem Zimmer!“, befahl Tannenberg in barschem Kasernenhofton, stürmte in sein Büro und warf die Tür mit Effet in den Rahmen.
Bereits kurze Zeit später erschien er wieder im Vorraum, in dem seine Mitarbeiter staunend dem hektischen Gebaren ihres Vorgesetzten beiwohnten.
„Verdammt!“
„Was ist denn los, Wolf?“, wollte Fouquet wissen.
„Ach, der Kollege kann sie auch nicht erreichen. Sie hat ja noch nicht mal Funk in ihrem Auto!“ Mit einem kurzen, prüfenden Blick sondierte er jeden einzelnen der Kriminalbeamten und meinte dann an Kommissarin Schauß gerichtet: „Los, Sabrina, wir fahren jetzt sofort nach Mainz.“
„O.K., Wolf“, gab die Angesprochene zurück und besorgte sich umgehend den Zündschlüssel für den silbernen Mercedes-Kombi.
Tannenberg wandte sich unterdessen ihrem Ehemann zu: „Und Michael, du fährst mit dem Geiger zur Gartenschau! Sucht mir dort ja alles genau ab. Auch oben am Zaun. Und vergesst mir den Japanischen Garten nicht!“
„Wolf, soll ich nicht besser gleich ’ne Personen- und PKW-Fahndung rausgeben?“
„Doch, natürlich, Albert. Genau dazu wollte ich dich jetzt auffordern.“ Tannenberg warf die Stirn in Falten, presste grübelnd die Lippen aufeinander.
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