Dinotod: Tannenbergs vierter Fall
auf dem Rücken. Sie war nur mit einem dünnen Leibchen bekleidet. An ihren Armen hatte man diverse Pflasterungen, Kanülen und Schläuche angebracht. Überall um sie herum piepste und summte es. Ihre rechte Gesichtshälfte sah aus wie nach einem abgebrochenen Boxkampf: dick zugeschwollen, mit eingetrockneten Blutresten übersäht, die Wange und Braue an zwei Stellen mit mehreren Stichen genäht.
Um ihren Hals herum hob sich ein blutunterlaufener, verkrusteter Striemen deutlich von der ihn umgebenen, aschfahlen Haut ab. Schlagartig war Tannenberg klar, was der Arzt mit dem Ausdruck ›noch nicht wundmedizinisch fertig versorgt‹ gemeint hatte.
Friedrich hatte unterdessen neben Eva Platz genommen und streichelte nun zärtlich ihre linke Hand.
„Wir haben ihr natürlich Schmerz- und Beruhigungsmittel gegeben“, erklärte der Arzt eher beiläufig. „Aber sie müsste sie trotzdem gut verstehen.“
„Eva, kannst du uns hören und sehen?“ Der junge Krankenhausarzt tippte dem LKA-Beamten sogleich an die Schulter und bedachte ihn mit einem forschen, tadelnden Blick. „Nichts sagen, Eva! Du darfst jetzt nicht sprechen! Aber wenn du kannst, dann nick kurz mit dem Kopf!“
Während Friedrich diese Worte an sie richtete, bewegten sich Evas Augenlider zweimal in Zeitlupe auf und ab. Ihr müder Blick wanderte von Friedrich zu Sabrina und dann zu Tannenberg. Dort verharrte er für eine Weile. Sie schloss die Lider und versuchte ein leichtes Kopfnicken. Ihr gequältes Mienenspiel überzeugte die Anwesenden davon, dass ihr diese Tätigkeit große Mühe bereitete.
„Ich denke, wir sollten die Dosis erhöhen“, sagte der Arzt an eine Krankenschwester gerichtet, die gerade die medizinischen Überwachungsgeräte inspizierte.
„Wir wollen dich nicht weiter belästigen, Eva. Du brauchst jetzt vor allem deine Ruhe. Damit du schnell wieder gesund wirst. Deshalb gehen wir jetzt. Nur noch zwei Sachen: Hast du diesen Saukerl erkannt?“, fragte Tannenberg.
Evas blutleere Lippen begannen zu zittern. Sie schloss die gerade eben erst wieder geöffneten Augen. Tränen rannen über ihre Wangen. Sie deutete ein Kopfschütteln an.
„Mein Herr, es reicht!“, sagte der Arzt in zwar moderatem, aber nicht minder bestimmtem Ton.
„Meinen Sie etwa, mir macht das alles Spaß?“, gab Tannenberg ungehalten zurück. Nun berührte auch er zärtlich Evas Arm. „Nur noch eins, dann lassen wir dich wirklich in Ruhe: Ist dir irgendwas Besonderes an ihm aufgefallen?“
Erneut reagierte sie mit der gleichen, verneinenden Kopfbewegung.
Tannenberg wurde mit einem Male schwindelig. Er hatte das Gefühl, dass der Boden, auf dem er mit wackligen Beinen stand, plötzlich zu schwanken anfing.
Sabrina, die seitlich versetzt hinter ihm stand, bemerkte als erste seinen Schwächeanfall. Sie fasste ihn am linken Arm. „Wolf, was ist denn los mit dir? Ist dir nicht gut?“
Er drehte sich zu ihr hin, ergriff mit der rechten Hand ihren freien Arm. Der LKA-Beamte erhob sich schnell, fasste den Leiter des K 1 von hinten und zog ihn herab auf den Hocker, auf dem er selbst noch bis vor ein paar Sekunden gesessen hatte.
Der Stationsarzt wusste natürlich umgehend die Situation medizinisch zu deuten. Er hastete an einen Medikamentenschrank und wollte Tannenberg eine kreislaufstabilisierende Injektion verabreichen. Als dieser aber seine Augen aufschlug und sah, wie der Arzt gerade die Spritze aufzog, wurde er urplötzlich von einer ausgewachsenen Panikattacke heimgesucht.
Ohne ein einziges Wort des Abschieds verlauten zu lassen, nutzte er den ihn durchflutenden Adrenalinschub zur Flucht. Mit hektischen Bewegungen riss er sich unmittelbar vor der Abschlusstür Mundschutz, Kopfhaube und den lindgrünen Kittel vom Leib, warf alles auf den Boden, rannte wie ein geisteskranker Amokläufer die Treppe hinunter und stürmte an dem völlig verdutzt dreinblickenden, immer noch vor dem Notarztwagen stehenden Sanitäter vorbei.
Hechelnd ließ er sich auf der ersten Bank niedersinken, die er in einer unmittelbar hinter der Pförtnerloge beginnenden kleinen Parkanlage entdeckt hatte. Er rang nach Atem, griff sich dabei an den Hals, wo er einen kräftigen, rasenden Herzschlag verspürte.
Sabrina war ihm selbstverständlich gleich gefolgt.
„Du bist ja schlimmer als ein Polizeihund, der zum Tierarzt muss“, rief sie ihm schon von weitem entgegen, nachdem sie ihn mit Hilfe des Sanitäters aufgespürt hatte.
Tannenberg lehnte sich mit pumpendem Oberkörper auf der
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