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Dinotod: Tannenbergs vierter Fall

Dinotod: Tannenbergs vierter Fall

Titel: Dinotod: Tannenbergs vierter Fall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernd Franzinger
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Während seine Augen gedankenversunken auf den schwarz umrandeten Anzeigen ruhten, musste er an den Erblasser denken, wie es im Amtsdeutsch so schön hieß – eben deshalb, weil diese Person ein Erbe hinterlassen hatte.
    Und was für eins!, dachte Peter ergriffen. Er atmete tief ein und ließ die eingesogene Luft durch den linken Mundwinkel entweichen. Wer war dieser großzügige Mann eigentlich? Wer war dieser Gregor Walther, unser Gönner, der mir und meinem Bruder ein Vermögen hinterlassen hat?
    Peter erinnerte sich nur daran, dass sein Vater ihm viele Male mit stolzgeschwellter Brust berichtet hatte, dass sein ältester Bruder Gregor, der von Beruf Metzger war und ein eigenes Geschäft in der Steinstraße besessen hatte, Anfang der Sechziger Jahre in die USA ausgewandert sei. Er hatte sich in Philadelphia angesiedelt, dort, wo viele deutschstämmige Einwohner pfälzische Vorfahren hatten und er sich deshalb eine gute Startbasis für die Vermarktung Pfälzischer Spezialitäten erhoffte.
    Unglaubliche Dankbarkeit gegenüber diesem ihm völlig fremden Menschen ergriff von Peter Walther Besitz. Tränen schossen ihm in die Augen. Ein starker emotionaler Schub bemächtigte sich seiner, schnürte ihm die Kehle ab. In ihm keimte das dringliche Bedürfnis auf, diesem großzügigen Mann auf irgendeine Art und Weise zu huldigen.
    Er faltete die Hände zu einem stillen Gebet.
     
    Als Peter einige Stunden später an seinem Schreibtisch im Amtsgericht saß, hatte er noch immer das Gefühl, dass dieser Maitag ein ganz besonderer Tag in seinem Leben werden würde. Vielleicht hing es an dieser unbeschwerten, ausgelassenen Stimmung, die sich in seiner Wohnung seit dem gestrigen Abend breitgemacht hatte und mit der ihm auch heute Morgen beim Frühstück von seiten seiner Frau und seiner Kinder begegnet worden war.
    Vor allem die Umgangsformen hatten sich innerhalb der Familie gravierend verändert: Die Gespräche waren mit einem Male von ansteckender Heiterkeit geprägt, und auf der Handlungsebene machten sich wie aus heiterem Himmel plötzlich Höflichkeit und Rücksichtnahme breit.
    Wie an jedem Morgen füllte er die zur Bearbeitung anstehenden Formulare gewissenhaft aus. Allerdings musste er sich weitaus häufiger als sonst zur nötigen Konzentration ermahnen.
     Sein versonnener Blick begleitete einen Bleistift dabei, wie dieser die Ziffer ›6‹, sechs Nullen und ein angehängtes $-Zeichen auf einen Notizzettel malte.
    Plötzlich hörte er ein Klopfgeräusch an der Tür. Er zuckte erschrocken zusammen. Sein Herz raste los wie ein wild gewordener Elektromotor.
    „Moment!“, schrie er in Richtung der Tür.
    Um Gottes willen, wenn jemand den Zettel entdeckt!, schoss ihm ein Gedankenblitz durch den Kopf.
    Geistesgegenwärtig zerknüllte er den quadratischen Zettel, steckte ihn in den Mund und begann sofort darauf herumzukauen. Schlucken konnte er ihn ohne Flüssigkeit nicht. Also schob er ihn in die rechte Backe.
    „Herein!“
    Es handelte sich bei dem Besucher lediglich um einen Boten, der Peter Walther mit der aktuellen Dienstpost versorgte. Nachdem der junge Mann sein Büro wieder verlassen hatte, lehnte sich Peter erleichtert in seinem weich gepolsterten Drehsessel nach hinten. Die Anspannung löste sich. Nun musste er doch ein wenig schmunzeln.
    Da er das Papier in seinem Mund, dessen unerwartet bitterer Geschmack ihn ziemlich erstaunte, schon weichgekaut hatte, schenkte er sich Mineralwasser in ein Glas ein, nahm einen Schluck und schickte das etwas schmierige Kügelchen auf die Reise hinunter in seinen Magen.
    Wie in einem Agententhriller, dachte er. Da müssen die armen Akteure auch oft die delikaten Papiere aufessen!
    Nachdem er seine Mittagspause zu einem Abstecher in die Innenstadt genutzt hatte, wo er sich mit Genuss eine große Portion italienisches Eis einverleibte, kehrte er in das angenehm kühle Amtsgerichtsgebäude zurück. Zunächst versuchte er, seinen euphorischen Glückszustand vor seinen Kollegen zu verbergen, aber diese bemerkten ziemlich schnell die auffallend veränderte Gemütsverfassung des von ihnen nicht sonderlich geschätzten Mitarbeiters.
    Einer fragte ihn scherzhaft, ob er etwa Drogen konsumiert hätte; ein anderer frotzelte, ob er sich denn verliebt habe; worauf ein anderer nur gehässig bemerkte, dass es sich bei Peter Walthers Objekt der Begierde höchstens um eine neue Dienstvorschrift handeln könne.
    Entgegen sonstiger Gewohnheit giftete der Provozierte jedoch nicht aggressiv zurück,

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