Diplomatische Beziehungen (German Edition)
begrüßt und auch viele andere Gäste strömten zur Tür, um ihnen die Hand zu schütteln.
Lucas wusste, dass Lucy und er noch abwarten mussten, bevor sie zu ihnen gehen konnten. Veranstaltungen wie diese folgten strengen Verhaltensregeln, und ihr Status als private Freunde würde ihnen hier nicht weiterhelfen. Vermutlich würde Jack die Ausstellung eröffnen oder der Eröffnung zumindest beiwohnen, und es würden viele andere hochrangigere Funktionäre mit ihm sprechen wollen, bevor Lucas und Lucy ihn begrüßen konnten.
Obwohl Lucas das wusste, wollte er den Amerikaner trotzdem auf seine Anwesenheit aufmerksam machen und so führte er Lucy wie nebenbei in sein Blickfeld. Er hatte immer noch das Gefühl, die letzte Woche über von Jack ignoriert worden zu sein und darüber wollte er sich heute Klarheit schaffen, egal wie.
„Warum können wir uns nicht mit den anderen anstellen und ihnen Hallo sagen?“, fragte Lucy.
„Weil da andere Leute sind, die er vor uns begrüßen muss, Lucy“, sagte er und seufzte dann. „Entschuldige. Aber wir können nicht einfach …“ Lucas beendete den Satz nicht, da ihm plötzlich Jack mit ausdrucksloser Miene direkt in die Augen sah. Nach einem kaum wahrnehmbaren Nicken, wandte Jack seinen Blick einer älteren, traditionell indianisch gekleideten Dame zu, die sich ihm gerade vorstellte. Die surreale Stimmung des Augenblicks ließ Lucas daran zweifeln, ob er das begrüßende Nicken wirklich gesehen hatte oder ob es nur Wunschdenken gewesen war.
Als ein Kellner mit einem neuen Tablett vorbeikam, tauschte Lucas sein leeres Champagnerglas gegen ein volles. Jack wurde zu dem zur Ausstellung führenden Gang geleitet, wo er ein Band würde zerschneiden müssen, um sie offiziell zu eröffnen, und so folgte Lucas mit Lucy am Arm den anderen Gästen, die in den Gang strömten. Er stellte sich weit vorn in die Menge, die sich in einem Halbkreis versammelt hatte, um den kurzen Ansprachen und der offiziellen Begrüßung zu lauschen.
Lucas konnte nicht anders, als zu bewundern, mit welch natürlicher Leichtigkeit Jack seine Aufgabe meisterte und wie gewandt er die Aufmerksamkeit von sich selbst und seiner Anwesenheit auf die Problemsituation antiker Kulturen in der heutigen globalen Gesellschaft lenkte und darauf, wie wichtig es war, indigene Kunst und Kultur zu bewahren. Auch an Humor fehlte es in seiner kurzen und prägnanten Rede nicht, denn er fügte hinzu, dass Belgier besonders viel Verständnis dafür hätten, nachdem sie so oft von anderen Nationen erobert wurden, bevor sie zu einem eigenständigen Land wurden.
Lucas dachte gerade darüber nach, ob Jack seine Reden selbst schrieb, als sich ihre Blicke erneut begegneten. Auch diesmal war Jacks Gesicht ausdruckslos und er wandte sich schnell ab, was bei Lucas zu einem mulmigen Gefühl im Magen führte. Er konnte nicht einfach dastehen. Das würde ihn in den Wahnsinn treiben. Wenn Jack wirklich nie wieder etwas mit ihm zu tun haben wollte, musste er es ihm schon persönlich sagen.
Nachdem das Band zerschnitten war, durfte die Menge den Ausstellungsraum betreten und zerstreute sich schnell. Lucas und Lucy konnten sich endlich Jack und Maria nähern, die immer noch von allen möglichen Leuten begrüßt wurden.
„Lucy, Lucas!“ Maria begrüßte das junge Paar freundlich mit Küssen auf die Wange. „Was für eine Überraschung! Lucas, ich wusste nicht, dass es zu deinen Pflichten als Verbindungsbeamter gehört, bei der Eröffnung einer Kunstausstellung anwesend zu sein.“
„Tut es nicht“, antwortete Lucas, während er vergeblich versuchte sich eine Entschuldigung einfallen zu lassen. „Ich … war nur interessiert.“ Aber nicht an der Kunst.
„Lucas, würde es dich sehr stören, wenn ich deine bezaubernde Verlobte für einen Moment entführen würde? Hier sind einige Leute, die sie bestimmt gern kennenlernen würde, und schließlich möchte ich aus ihr eine perfekte Diplomatenfrau für dich machen.“
Es handelte sich offenbar um eine rhetorische Frage, denn während Lucas noch nach einer intelligenten Antwort suchte, hatte Maria Lucy bereits zu einem Grüppchen von Frauen mittleren Alters am anderen Ende des Raumes gezogen, so dass er sich selbst überlassen blieb, und das nur ein paar Schritte entfernt von Jack.
Lucas hatte bisher noch nicht einmal Hallo sagen können, da Jack immer noch mit einigen Amerikanern und Belgiern beschäftigt war. Lucas hörte, wie er Englisch und Französisch sprach, manchmal sogar
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