Dirnenmord am Montmartre ROTE LATERNE ROMAN Band 8 (Rote Laterne Liebesroman) (German Edition)
Vorstellung.«
Er blickte daraufhin etwas betreten zu Boden.
»Gesehen haben Sie diesen Mann nicht?«
»Nein, ich glaube nicht«, sagte Lilly.
»Was heißt, Sie glauben nicht? Haben Sie ihn gesehen oder haben Sie ihn nicht gesehen? Es gibt nur zwei Möglichkeiten.«
»Vielleicht gibt es eine dritte, Monsieur Kommissar«, sagte Lilly und lächelte ein wenig ironisch. »Als ich nämlich aus dem Hause kam, sah ich einen Mann draußen. Ich beobachtete ihn, bis mein Taxi kam. Er ging auf und ab und blickte immer wieder zu einem der erleuchteten Fenster hinauf. Zum einzigen erleuchteten Fenster. Es war das Fenster zu. Constances Zimmer.«
»Interessant. Können Sie den Mann beschreiben?«
»Groß«, sagte sie, »vielleicht Mitte vierzig. Alles an ihm roch nach allererster Qualität und nach Geld. Ich dachte mir, dass dies dieser Mann sein könnte, der Constance besuchen wollte. Ich fragte mich nur, weshalb er nicht einfach ins Haus ging, sondern abwartete. Ich dachte auch daran, es könnte einer von der Polizei sein. Sie machen ja manchmal Streife, um uns irgendwelche Illegalitäten nachzuweisen.«
»Wir müssen für Ordnung sorgen, Mademoiselle.«
»Dann sorgen Sie und finden Sie den, der Constance ermordet hat. Oder sind wir Dirnen andere Wesen? Haben wir kein Recht darauf, dass unser Leben geschützt wird?«
»Mademoiselle, es gibt ein altes Sprichwort. Es lautet: Wer sich in Gefahr begibt, kommt darin um.«
»Also, hören Sie, Monsieur Kommissar«, sagte Lilly nun und wirkte richtig damenhaft. »Ich möchte mit Ihnen hier keine wissenschaftlichen Abhandlungen über die Nützlichkeit der Dirnen durchführen. Aber eines dürfte doch sicher sein: Wenn es uns nicht gäbe, gäbe es mehr Sexualverbrechen auf dieser Welt. Oder pflichten Sie mir hier nicht bei?«
»Wie lange etwa stand der Mann vor dem Haus?«, fragte der Kommissar und überging Lillys Einlassung.
»Ich habe nicht auf die Uhr gesehen.
Aber es dauerte ungefähr zehn Minuten, bis mein Taxi kam.«»Angesprochen hat er Sie nicht?«
»Nein«, sagte Lilly. »Aber er ging an mir vorüber. Er ging so nahe an mir vorüber, dass ich sein Gesicht und seine Augen sehen konnte. Wenn ich jetzt darüber nachdenke, dann sind dies die Augen eines Mörders gewesen.«
»Woher wollen Sie denn das mit einer solchen Bestimmtheit sagen?«, fragte der Kommissar spöttisch.
»Weil ich es eben weiß«, sagte Lilly. »Es waren eiskalte Augen und ein aalglattes Gesicht. Ich kenne die Männer besser, und Sie werden mir meine Erfahrungen wohl nicht absprechen können. Übrigens wurde doch erst vor zwei Wochen ein Mädchen ...«
»Ja, ja, das ist richtig«, wich Kommissar Palon rasch aus. »Aber wir müssen erst einmal überprüfen, inwieweit dies in einem Zusammenhang damit steht. Es könnte sein, dass ich Sie noch aufs Präsidium bitten muss. Vielleicht gelingt es uns, nach Ihren Angaben und nach denen der Concierge ein Phantombild anzufertigen. Für den Augenblick jedenfalls wäre dies alles. Ich danke Ihnen.«
»Bitte«, sagte Lilly und nippte an ihrer Kaffeetasse. Dabei schlossen sich ihre Hände krampfhaft darum, und man sah, dass Lilly Laforet Angst hatte.
Neben der Küche hatte Madame Richard ihr Wohn- und Schlafzimmer. Die Räume der Hausmeisterwohnung waren allgemein winzig und rochen muffig. In dieser Nacht, die recht schwül war, hatte die Richard ihr Fenster offenstehen Lassen. Zu befürchten hatte sie wenig, denn das Fenster war durch massive Eisenstäbe gesichert, so dass niemand bei ihr einsteigen konnte.
Unruhig wälzte sich die dicke Concierge in ihrem Bett. Das schreckliche Ereignis mit Constance hatte schlimm an ihren Nerven gezerrt und ließ sie kaum richtigen Schlaf finden.
Madame Richard lauschte auf sämtliche Geräusche. Als draußen im Hof eine Mülltonne klapperte, fuhr die Richard steil in die Höhe. Sie nahm ihren alten, zerschlissenen Morgenmantel, warf ihn über die Schulter und schlich zum Fenster.
»Verdammtes Katzenbiest!«, zischte sie zwischen den Zähnen hervor, als sie auf den Mülltonnen eine Katze sitzen sah, die sich im Schein des Mondlichtes putzte und dabei wohl den Deckel zum Klappern gebracht hatte.
Daraufhin ging die Hausmeisterin wieder zu Bett. Doch der Schreck saß ihr noch ganz gehörig in den Gliedern.
Da plötzlich!
Ein Geräusch, das sich so angehört hatte, als würde jemand eine Scheibe zertrümmert haben. Doch die Richard war sich nicht sicher, ob dies hier oder im Nachbarhaus der Fall gewesen
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