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Dirty Old Town: Ein Wyatt-Roman (German Edition)

Dirty Old Town: Ein Wyatt-Roman (German Edition)

Titel: Dirty Old Town: Ein Wyatt-Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Garry Disher
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und eins mit fünf Riesen gezählt und der Polizei so Zeit gegeben hätte, zuzugreifen und ihn festzunehmen. Doch zwischen den echten Scheinen steckte nur Papier. Also war Wyatt lediglich um eintausendsechshundert Dollar reicher und um eine Waffe ärmer geworden.
    Auf die Waffe kam es an. Sie war in seinem Metier ein unentbehrliches Werkzeug. Wyatt ließ den Wagen stehen und fuhr mit der Straßenbahn zurück in die City. Es war kurz vor fünf am Nachmittag. Er wollte Ma unbedingt antreffen.
    Sofern sie noch lebte.
    Sofern sie noch mitmischte.

    3

    Zum selben Zeitpunkt war es in London acht Uhr morgens und ein für seine Arbeit mit der Klinge bekannter Franzose verfolgte einen unscheinbaren Mann von der U-Bahn-Station Blackfriars die Queen Victoria Street entlang Richtung Bishopsgate. Alain Le Page hielt Abstand, jedoch nur so viel, dass er den Mann nicht verlor, der mit einem dunklen Anzug bekleidet war, mit einem strahlend weißen Hemd, der eine Krawatte trug, die vage an die einer Schuluniform erinnerte, und glänzend schwarze Schuhe. Und einen Mantel, um sich vor der prickelnden Kühle des Herbstes zu schützen.
    Als die Zielperson an einem Fußgängerübergang nach rechts und links blickte, sah Le Page die Brille aus Fensterglas, einen Teint, der seit geraumer Zeit keinem Strahl Sonne ausgesetzt gewesen war, ordentliches, kurz geschnittenes Haar, das auch einen Windstoß überstand, und einen einfachen Aktenkoffer aus Leder.
    Jung, aber wie viele junge Männer in der City wirkte er wie ein Mann in den mittleren Jahren. Ein ausdrucksloses Gesicht, mittelgroß, steif in der Körperhaltung. Auf den ersten Blick hätte man nicht zu sagen vermocht, ob bei seinem Werdegang Oxford/Cambridge oder eine der neueren Fachhochschulen in den ehemaligen Arbeiterstädten eine Rolle gespielt hatten oder Eton/Harrow, ob er aus einer der elenden, weitläufigen Sozialbausiedlungen stammte, aus London kam oder aus der Provinz, ob er Banker war oder Angestellter bei der Post.
    Nichts an ihm deutete darauf hin, dass es sich lohne, ihn umzubringen.
    Es sei denn, man wusste, was Le Page wusste.
    Als ihm zu Ohren gekommen war, dass die Zielperson ihre Fühler ausstrecke, hatte Le Page schnell den Hintergrund recherchiert. Es schien, als sei der Mann nicht mehr als ein Laufbursche. Er sah wie ein Geschäftsmann aus, weil die Banken, die Anwaltskanzleien und Versicherungsfirmen Wert darauf legten, dass ihre Boten angemessen ausstaffiert waren. Also keine Fahrradkuriere in rotem Lycra und mit lila gefärbtem Haar. Keine Gossensprache. Kein Schweißgeruch oder die Bewegung kaugummikauender Kiefer in Fahrstühlen und Foyers. Keine Rucksäcke oder Dokumentenmappen aus Plastik. Die Geschäftsleute der City wollten Verträge, Schecks, Emissionsprospekte und Testamente in ledernen Aktenkoffern transportiert wissen.
    Doch dieser Typ arbeitete für Gwynn’s, eine kleine Privatbank, und hatte behauptet, er überbringe mitunter Inhaberobligationen und Schatzanweisungen der Bank of England, also grub Le Page tiefer.
    Da war als Erstes die Bank selbst. Laut einer dezenten Hinweistafel neben dem Haupteingang war Gwynn’s seit 1785 im Geschäft. Per »Royal Appointment« durch verschiedene Monarchen. Träge, wenn es darum ging, sich den modernen Zeiten anzupassen. Geleitet von Sonderlingen, jungen und alten. Ein Gentleman steht zu seinem Wort, solche Dinge eben. Es mochte durchaus Haie in der Finanzwelt geben, Männer und Frauen, die einen Vertrag brachen, Gelder unterschlugen oder sich auf Insidergeschäfte einließen, aber mit solchen Leuten machte man keine Geschäfte. Was Vergewaltiger, Mörder und Taschendiebe betraf, das hier war die City, nicht irgendeine dieser fürchterlichen Hauptstraßen.
    Gwynn’s war nie ausgeraubt worden, also kümmerte sich die Bank nicht um Sicherheitstransporte, nicht um bewaffnete Wachleute. Vielmehr hatte einer der Seniorchefs zu Bedenken gegeben, dass die Präsenz von Transportern und Wachleuten geradezu ideal sei, um die Aufmerksamkeit von Dieben zu erregen.
    Außerdem, man bedenke die Kosten, diese plumpe Zurschaustellung.
    Und so bediente man sich eines Boten, der aussah wie ein Banker. Und dieser Bote hinterging sie.
    In einem zweiten Schritt kümmerte sich Le Page um den Hintergrund des Mannes, fand heraus, dass der seit zwei Jahren als Bote arbeitete und man ihn angeheuert hatte, weil er Soldat gewesen war. Kein Dummkopf, sondern jemand, der auf sich aufpassen konnte und mit Anzug, Mantel und Aktenkoffer den

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